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Test: iPad Pro 10,5″ – Starke Hardware für die Nische

4.0 / 5Sterne·12.9.2018·Kommentare:  0Retweets:  0 3

Mitte letzten Jahres habe ich mein altes »iPad 2« gegen das damals neue »iPad Pro« mit 10,5 Zoll getauscht. In Space Gray, mit dem für 100 Euro noch günstigen Upgrade auf 256 GB Speicher (daraus wurden nämlich später 170 Euro) aber ohne LTE. Inklusive »Apple Smart Keyboard« und »Pencil«. Schließlich sollte das neue »Pro« wie einst mein »iPad 2« wesentliche Aufgaben meines Hauptrechners übernehmen. Doch es kam anders.

Sehr gute Hardware

Das »iPad Pro 10,5″« besteht aus außerordentlich guter Hardware. Kernstück ist das 10,5 Zoll große »ProMotion«-Display, in dem damals die 120-Hz-Technologie Premiere feierte und der A10X-Chip, der in einigen Benchmarks sogar besser als so manches MacBook abschnitt. Das iPad selbst ist relativ leicht (469 g), hat eine fast schon verschwenderisch gute Kamera eingebaut (und zwar jene vom »iPhone 7«, die ich aber so gut wie nie verwendet habe) und ist sehr gut verarbeitet. Dazu kommt ein sehr, sehr gutes Lautsprecher-Setup: Die 4 verbauten Speaker sorgen für ein wirklich gutes Klangbild, das beim »Pro« externe Boxen so gut wie überflüssig macht (war beim »iPad 2« nicht so). Dennoch gibt es ein paar Kritikpunkte.

»ProMotion«-Display: 120 Hz vs. Schlieren

Während beim Display so mancher Tester in Euphorie geriet, bin ich nach wie vor skeptisch. Nicht falsch verstehen, das Display ist sehr gut. Mein erster Eindruck war aber weniger Begeisterung aufgrund der Refreshrate, sondern Verwunderung über die wahrnehmbare Schlierenbildung beim Scrollen. Der Grund dafür dürfte sein, dass das Display zwar eine hohe Bildwiederholfrequenz hat, die Pixel in einem LCD aber nicht so schnell ihre Farbe wechseln können. Schlierenbildung ist die Folge, weil die Pixel nachleuchten. Wer realistische Erwartungen ans Display hat, dürfte aber trotzdem nicht enttäuscht werden.

»Screen Lottery«

Ein weiteres Problem, das ich bereits bei meinem »iPad 2« hatte, wird von einigen Usern als »Screen Lottery« bezeichnet und bezieht sich auf die variierende Displayqualität pro Einheit. Wenn ein iPad rauskommt, dauert es nicht lange, bis in den Foren von MacRumors und Apple Beschwerden über ungleiche Displayausleuchtungen oder Farbstiche laut werden. Bei meinem »iPad 2« gab’s Lightbleeding vom Rahmen ins Display hinein, das Display meines »Pros« ist hingegen fast perfekt. Fast nur deshalb, weil es, wenn man ganz genau hinsieht, auf der Home-Button-Seite minimal heller wird. Ein Austausch deswegen ist meiner Meinung nach sinnlos, weil die Chance, ein schlechteres Display zu erwischen, vor allem in den ersten Produktionswochen, hoch ist – eine Lotterie eben.

Home-Button-»Clickyness«

Als Apple mit dem »iPhone X« angefangen hat, die Home-Buttons gegen Gesichtserkennung zu tauschen, war mein erster Gedanke »endlich!« Denn wer einmal bei seinem iPhone oder iPad Probleme mit der »Clickyness« des Home-Buttons gehabt hat, weiß wie mühsam das bei so einem wesentlichen Bestandteil des UI sein kann. Mein »iPhone 6« hat z.B. mittlerweile gefühlt alle Klick-Stufen durchlaufen, die es gibt: normal, schwabbelig bis hin zu Druckpunkt ist gerade so erkennbar. Der Home-Button meines iPads ist okay – und möglicherweise würde es manchen gar nicht auffallen, aber der Button klickt am Rand anders, als in der Mitte. Wieder eines dieser Phänomene, bei denen man nicht weiß, ob das normal ist, oder Apple wieder Probleme hat solche Knöpfe in Massen zu produzieren.

Probleme mit iOS 11

Gesten

Während das neue Gestensystem am »iPhone X« sofort in Fleisch und Blut übergeht, ist das am »iPad Pro« nicht so. Das hängt wohl auch damit zusammen, das hier wesentlich komplexere Aktionen möglich sind. Z.B. zwei Apps nebeneinander anzeigen. Das klappt, wenn man es einmal weiß, ganz gut. Dann will man aber eine App wie Facebook in die zweigeteilte Ansicht ziehen und beim Ziehen verändert die App ihre Form nicht. Eine Formveränderung würde nämlich signalisieren, dass die App beim Loslassen in die 1/3-Ansicht wechselt. Feedback darüber, dass diese App diese Ansicht nicht unterstützt, gibt es in dem Modus aber keine. Und wer die Gesten nicht kennt und nicht ein bisschen übt, ist sowieso chancenlos, weil das Interface keinen Hinweis darauf gibt, dass und wie dies möglich ist. Das wurde übrigens einst in einem Dokument von ehemaligen Apple-Mitarbeitern kritisiert, von den Fans aber leider nur belächelt.

Handschrifterkennung?

Ein spannendes Feature war für mich die Handschrifterkennung. Nur hat sie irgendwann aufgehört zu funktionieren. Groß berichtet wurde auch nicht darüber, in Foren haben es aber einige angemerkt. Es dürfte wohl niemanden wirklich interessieren, was schade ist – hoffen wir auf ein Comeback in »iOS 12«.

»Pro« oder nicht »Pro«?

Das »Pro 10,5« ist mit 729 Euro für 64 GB relativ teuer, hatte aber letztes Jahr gegenüber dem normalen »iPad« noch den Vorteil der »Pencil«- und »Smart Connector«-Unterstützung. Das ist seit heuer nicht mehr so, denn auch das normale iPad (2018) unterstützt nun den »Pencil« – und kostet mit 349 Euro weniger als die Hälfte. Sicher ist dort das Display nicht so schön laminiert und damit direkt unterm Glas sitzend, aber ich wäre mir heuer nicht mehr so sicher gewesen, fast das Doppelte für das »Pro« auszugeben. Denn die Leistung benötige ich eigentlich nicht und den »Smart Connector«, so praktisch er auch ist, unterstützen aktuell nur ganz wenige Keyboards – und es gibt genug gute Bluetooth-Alternativen. Ob’s einem das etwas größere Display wert ist, muss jeder selbst entscheiden.

Auf der Suche nach dem Einsatzgebiet

Eingangs habe ich erwähnt, dass ich das »Pro« nicht so oft verwendet habe, wie geplant. Das hat meiner Meinung nach zwei Gründe: Erstens habe ich meinen sterbenden »Mac mini« durch einen Festplattentausch reanimiert und zweitens kann ich seit dem Umstieg aufs »iPhone X« dank des gleichen App-Ökosystems wesentlich mehr Dinge am iPhone erledigen und benötige das iPad nicht zwangsweise. Das war bei meiner Kombination aus »iPad 2« und »Lumia 950« (Windows 10 Mobile) noch anders.

M.G. Siegler hats auf 500ish.com schon gut zusammengefasst: Schreiben am iPad, publizieren am Mac. Das geht mir auch so. Denn der Schreibprozess funktioniert am iPad wunderbar. Im WordPress-Interface Facebook- und Twitter-Links sowie diverse Meta-Beschreibungen von anderen Websites einfügen? Das alles geht mit einem Maus-Interface und Browser-Tabs und -Fenstern wesentlich angenehmer.

Neue Version 2018

Selbstverständlich gilt: Kauft nicht die hier getestete 2017er-Version des »Pros«, sondern wartet noch ein paar Wochen, bis Apple die neue 2018er-Version vortstellt. Dünnere Rahmen und Face ID sollen schon mal zwei Verbesserungen sein.

Fazit

Das »iPad Pro 10,5« ist toll. iPads allgemein sind toll. Sie können Dinge erledigen, die ein Mac nicht kann. Schreiben funktioniert mit einer Hardware-Tastatur und einem Minimalismus-Schreibprogramm wie »iA Writer« perfekt. Workflows mit verschiedenen Apps, die ineinandergreifen, sind aber nach wie vor die Größte Schwäche von iOS. Wer hier spezielle Anforderungen hat, sollte darauf achten, dass es eine App gibt, die den eigenen Workflow auch unterstützt. Denn auch wenn Apple das Silo-Problem seines App-Ökosystems mit Lockerungen wie der Datei-App, Parallelbetrieb von bis zu drei Apps etc. in den Griff zu kriegen versucht, scheint das für mich erst der Beginn einer langen, langen Reise zu sein. Wer hingegen einfache, zielgerichtete Anforderungen hat (Text schreiben, Videos schauen, ein Spiel spielen, etwas Zeichnen) oder meinetwegen auch komplexere, für die es aber eine App gibt (z.B. Layout und Designs in Affinity Designer erstellen), der ist mit einem iPad gut beraten und wird seine Freude daran haben.

★★★★☆


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iPad Pro 10,5″