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Asfinag: 18 Tage War­te­frist beim Kauf der di­gi­talen Vignette trotz § 18 FAGG – warum eigentlich?

14.2.2020·Kommentare:  19Retweets:  0 2

Wer online eine digitale Vignette direkt bei der Asfinag kauft, darf diese erst 18 Tage nach Kauf verwenden. Diese – im digitalen Zeitalter ungewöhnliche – Wartefrist setzt sich laut Anbieter wie folgt zusammen:

Wer die Vignette also nicht spätestens am 14.1. kauft, kann am 1.2. keine mautpflichtigen Verkehrswege benutzen (die Vignette gilt immer bis zum 31.1. des Folgejahres). Umgehen kann man diese Wartefrist auch, indem man die digitale Vignette vor Ort z.B. beim ÖAMTC oder einer Tankstelle kauft, weil dann das FAGG nicht greift.

Update, August 2023: Ich habe einige Updates zum Rücktrittsverzicht für Unternehmer:innen und den Antworten der Asfinag damals hinzugefügt.

Warum gibt es keinen klassischen Rücktrittsverzicht?

Ein paar Fragen ergeben sich aus dieser für Onlinekäufe untypischen Wartefrist allerdings schon …

Auch die zugrundeliegende EU-Gesetzgebung, auf die sich die Asfinag bei manchen Anfragen beruft, dürfte daran nichts ändern, denn auch dort sind die Ausnahmen geregelt (Kapitel III, Artikel 16, Absatz a).

Muss die Asfinag den Rücktrittsverzicht anbieten?

Ob ein Unternehmen bestimmte Optionen im Sinne der Kundenfreundlichkeit anbieten will oder nicht, bleibt natürlich ihm überlassen. Interessant ist in dieser Hinsicht allerdings Paragraf 10 des FAGG, auf welchen Paragraf 18 in der Einleitung verweist. Dort heißt es nämlich mit Stand 14.2.2020 (Auslassungen und Hervorhebungen durch den Autor):

[…] und wünscht der Verbraucher, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 mit der Vertragserfüllung beginnt, so muss der Unternehmer den Verbraucher dazu auffordern, ihm ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären.

Ich lese aus der Kombination von »wünschen« und dann »müssen« eine Verpflichtung heraus, den Rücktritt zumindest auf Verlangen des Verbrauchers anzubieten. Ich bin aber freilich kein Rechtsexperte und durchaus für andere Interpretationen empfänglich – gerne in den Kommentaren.

Warten auf Antwort

Per Mail habe ich diese Fragen vor fast zwei Wochen an die Asfinag gestellt, bisher aber noch keine Antwort erhalten. Vielleicht klappt es ja per Twitter.

Update: Antworten der Asfinag

Die Asfinag hat auf Twitter relativ schnell, per E-Mail erst nach einem Monat reagiert. Letzteres ist insofern ironisch, als dass die Asfinag die Frist fürs Rücktrittsrecht, auf das sie so pocht, damit gänzlich verstreichen lässt. In beiden Fällen waren die Antworten ausweichend und wenig aussagekräftig. Das E-Mail im Wortlaut:

Vorab möchten wir uns für die verspätete Beantwortung entschuldigen. Es erreichen uns derzeit sehr viele Anfragen.

Der Erwerb einer Digitalen Vignette erfolgt über einen Online-Kauf und unterliegt damit den gesetzlichen Bestimmungen für Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG).

Die Rechte der Konsumenten sind der ASFINAG sehr wichtig. Kundinnen und Kunden können innerhalb von 14 Tagen vom Online-Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung zurücktreten – dies ist auch beim Kauf der Digitalen Vignette so. Der Tag des Kaufs zählt dabei nicht zu den 14 Tagen. Da der Rücktritt auch per Post übermittelt werden kann, werden hier weitere drei Tage für einen möglichen Postweg bis zum Einlangen bei der ASFINAG berücksichtigt.

Somit ist die Digitale Vignette erst ab dem 18. Tag nach dem Tag des Kaufs gültig und berechtigt erst ab dann zur Nutzung der Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich.

Mit der Frist wird verhindert, dass Lenkerinnen und Lenker eine Vignette online erwerben, das Autobahnnetz nutzen und sich anschließend das Geld für die Vignette zurückholen.

Sie haben auch die Möglichkeit, die Digitale Vignette bei den Stützpunkten des ÖAMTC, ARBÖ oder ADAC zu erwerben. In diesem Fall ist die Digitale Vignette sofort gültig, da hier kein Fernabsatzgeschäft vorliegt.

Update: Rücktrittsverzicht nur für Unternehmer:innen?

In sozialen Medien wird das Thema ebenfalls immer wieder diskutiert – zuletzt hat z.B. jemand diesen Artikel auf Reddit gepostet.

Einige User:innen berichten, dass man einfach »Ich bin Unternehmer:in« auswählen kann, denn dort wird der Rücktrittsverzicht angeboten. Erfahrungsberichte einiger User:innen legen zudem nahe, dass diese Einstellung niemand kontrolliert und sie diese Option einfach genutzt haben, ohne Unternehmer:in zu sein.

Das ist natürlich jeder/jedem selbst überlassen, macht die Sachlage aber nicht weniger absurd. Rechtlich betrachtet handelt es sich damit um keine wahrheitsgemäße Angabe, folglich besteht kein gültiger Vertrag mit der Asfinag und die Vignette ist theoretisch ungültig. Zumindest meine Interpretation als Laie, aber wie gesagt, muss jeder selber wissen.


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9 Kommentare

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#1 von Markus am 3.7.2021, 8:37 Uhr

Interessante Fragen, die Sie hier stellen. Gibt’s schon Antworten? Wenn ja, wo finde ich diese?
//
Liebe Grüße
Markus

#2 von Benedikt am 3.7.2021, 8:50 Uhr

Vielen Dank! Geantwortet hat mir die Asfinag zu diesem Post damals auf Twitter (mein zunächst verfasstes Mail wurde erst nach einem Monat beantwortet), allerdings ausweichend und ohne auf die konkreten Punkte einzugehen.

#3 von rhberlin am 13.12.2021, 20:00 Uhr

Schon lange habe ich mir die Frage gestellt, ob das österreichische Recht den Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist einfach nicht vorsieht. Aber nein, die österreichische Rechtslage entspricht der europäischen, nur die ASFINAG hat die besten Juristen auf diese Frage losgelassen mit dem Ergebnis, dass Touristen mit Mietwagen fleißig Bepperl kleben dürfen. Nicht zu glauben. Eigentlich dachte ich immer, sowas könnte nur in Deutschland vorkommem…
Vielen Dank für Deine Bemühungen

#4 von Benedikt am 13.12.2021, 22:15 Uhr

Vielen Dank und bitte, gern! Und: Es ist sogar noch absurder – man muss nämlich keine Vignette kleben und kann sehr wohl auch eine digitale kaufen, die sofort gilt. Nur darf man die nicht auf asfinag.at bestellen sondern muss diese vor Ort in einer Tankstelle oder einer entsprechenden Verkaufsstelle (z.B. ÖAMTC-Standort) erwerben. Und ja, hat schon was von Schildbürgerstreich … 😉

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