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Ausprobiert: 360 Reality Audio mit Sony WF-1000XM4 + Tidal, Deezer – zahlt es sich aus?

29.6.2021·Kommentare:  0Retweets:  0 1

Seit knapp zwei Wochen nenne ich Sonys WF-1000XM4 mein Eigen und bin noch immer ziemlich begeistert. Ein Feature, das zwar mit meiner Kaufentscheidung wenig zu tun hatte, auf das ich aber trotzdem gespannt war, ist die Unterstützung für 360 Reality Audio, Sonys räumliches Musikformat.

Skepsis, aber auch Hoffnung

Als jemand, der schon so manche Versprechungen bezüglich Stereo-Tonverbesserung mitgemacht hat, war ich natürlich skeptisch. Bei 360 Reality Audio muss aber nicht nur der Ton im entsprechenden Format vorliegen (es ist also kein herkömmlicher Upmix einer Stereo-Quelle), auch die Hardware (also die Kopf- oder Ohrhörer) muss das Feature entsprechend unterstützen. Das klingt zumindest nach glaubhaften Voraussetzungen, um das Versprechen des räumlichen Klangs ernst zu nehmen.

Die Vermessung der eigenen Ohren

Zuerst muss man in Sonys »Headphones Connect«-App die entsprechende Analyse der eigenen Ohren starten. Keine Angst, es ist nicht kompliziert und der Prozess ziemlich gut gemacht: Man richtet die Front-Kamera eine Armlänge entfernt aufs Gesicht, dann sagt einem die App, dass man das Gesicht einmal nach links drehen und einmal nach rechts drehen soll (dann wird jeweils ein Foto gemacht). Laut Sonys prominent platzierter Erklärung ist der Vorgang (zumindest auf den ersten Blick) zudem datenschutzfreundlich (Fotos werden gelöscht).

Ist das sinnvoll?

Man fragt sich natürlich unweigerlich, warum das Feature bei Ohrkanal-Ohrhörern, die den Klang direkt in einen abgedichteten Gehörgang feuern, eine Fotoanalyse des gesamten äußeren Ohrs erfordert. Bei Sonys Overear-Variante, den WH-1000XM4, scheint das ja theoretisch nachvollziehbar, bei den WF-1000XM4 eher nicht.

Streaming-Dienste mit 360 Reality Audio

Im Anschluss wählt man jene Apps aus, die optimiert werden sollen. Das heißt im Prinzip nichts anderes, man wählt jene Apps aus, welchen die errechneten 360-Reality-Audio-Daten zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Apps kann man bereits zur Vorbereitung installieren und dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Streaming-Dienste 360 Reality Audio überhaupt unterstützen.

In Sonys App sind dies vorrangig Tidal und Deezer. Beziehungsweise bei Letzterem die eigene App 360 by Deezer. Amazon Music HD unterstützt 360 Reality Audio zwar prinzipiell auch, es steht aber in Sonys App nicht zur Verfügung. Eventuell wird diese nachgereicht, aktuell kann die Sony-App die aus den Ohren-Fotos errechneten Daten aber nicht an die Amazon-App übergeben.

Teurere Tiers notwendig

Sowohl bei Tidal, als auch bei Deezer benötigt man den entsprechend teureren HiFi-Tier und den sollte man tunlichst nicht als In-App-Purchase abschließen, da die Anbieter Apples Anteil auf den Preis draufschlagen. Tidals HiFi-Tier kostet so sogar 26 Euro, statt außerhalb des App-Stores 20 Euro. Deezer ist mit 15 Euro grundsätzlich günstiger und bietet aktuell vier Monate um je einen Euro – ein gutes Testangebot. Bei Tidal gibt es einen Gratismonat. Auch nicht schlecht, aber das hatte ich bereits vor Jahren einmal in Anspruch genommen. Und weil ich das nicht gleich erkannt hatte, wurden mir auch prompt die 26 Euro fürs erste Monat verrechnet.

Das Angebot an 360-Tracks ist natürlich begrenzt und so fragt man sich vor allem bei Tidal, wie man entsprechende Songs finden kann. Dazu in der App unten auf »Entdecken« tippen, nach unten scrollen bis zu »360 Reality Audio«. Bei 360 by Deezer stellt sich diese Frage zwar nicht, aber auch, dass es hierfür eine eigene App gibt, muss man erst einmal wissen.

Wie klingt 360 Reality Audio?

Jetzt habe ich lang und breit erklärt, wie man 360 Reality Audio bei den Sony WF-1000XM4 einrichtet und welche Apps man dafür benötigt. Nur, wie klingt es jetzt? Hier gibt es eine kurze und eine lange Antwort. Die kurze: Anders, aber nicht besser. Die lange: Möglicherweise gibt es dafür Potenzial. Das lässt zumindest die Demo beim Start der 360-by-Deezer-App erahnen (oder es ist einfach nur eine sehr gute Demo). Es ist nämlich beim Track-Angebot schon schwierig, Songs zu finden, die man so gut kennt, dass man die Veränderungen beim Sound überhaupt bewerten kann. Die Sache mit der Räumlichkeit lasse ich mir beim Demo-Track von Deezer noch einreden. Da kommen aber sehr gut getrennte Instrumente zum Einsatz, beim Soundmischmasch eines Live-Konzerts (die oft als 360 Reality Audio angeboten werden), sieht das schon anders aus. Und irgendwelche Instrumente räumlich (auch bei im Studio gemischten 360-Tracks), selbst konzentriert und mit geschlossenen Augen, um einen herum zu platzieren, gelingt zumindest mir nicht.

Dazu kommt der psychologische Faktor. Denn mit nur je einer Tonquelle links und rechts im Ohr fällt es einem vom mentalen Modell her ja schon schwer, zu verstehen, wie da die Räumlichkeit erzeugt werden soll. Und selbst, wenn man weiß, dass da im Hintergrund für den Effekt bestimmte Frequenzen zeitverzögert werden, fragt man sich, wie bewusst da tatsächlich dieses oder jenes Instrument im Raum platziert werden kann. Aber das nur als Anstoß, denn soweit gehen aktuell weder meine Tests noch meine Recherche diesbezüglich – wer mehr weiß, bitte bitte gern in den Kommentaren, ich freue mich über diesbezügliche Ergänzungen.

Ich will das ganze Know-How, das dahinter stecken mag, nicht schmälern und finde die Idee ja auch faszinierend. Aber es zahlt sich in der aktuellen Form meiner Meinung einfach nicht aus. Die größte Steigerung der Klangqualität, den weitesten Sprung beim Wow-Faktor schafft man immer noch bei den Schallwandlern – also den Kopf- oder Ohrhörern. Wer sich hier statt Deezer bzw. Tidal HiFi einen normalen (mittlerweile eh alle mit HD) Streaming-Dienst um maximal 10 Euro nimmt, der kann pro Jahr zwischen 60 (Deezer) und 192 Euro (Tidal HiFi als In-App-Purchase) sparen. Kauft dann damit später einmal die Shure SE846 (inkl. True Wireless Adapter) oder die Sennheiser IE900. Da erfährt man selbst als Laie eine wahrnehmbare und sehr starke Steigerung der Klangqualität.


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