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Sony WF-1000XM4 – Test: Alleskönner mit gutem Klang (und ein paar Problemen)

4.0 / 5Sterne·6.12.2021·Kommentare:  0Retweets:  2 2 · ~ 17 min

Nach sechs Monaten Nutzung hier mein ausführlicher Test der Sony WF-1000XM4. Eigentlich wäre ich ja aktuell Bowser-&-Wilkings-PI7-User, aber es sollte anders kommen. Die WF-1000XM4 haben sich hingegen bewährt, leisten sich aber auch die eine oder andere Schwäche.

Der linke und rechte Ohrhörer der Sony WF-1000XM4 vor ihrem Case auf einem Tisch liegend, dahinter die Verpackung aus recyceltem Material.
Die Sony WF-1000XM4 kommen in einer kompakten Verpackung, die aus recycelten Materialien besteht.

Gleich vorweg, ich war Sony gegenüber skeptisch, aber der Ersteindruck der WF-1000XM4 war phänomenal. Dieser Ersteindruck hat sich größtenteils bestätigt, ein paar Ausrutscher leisten sich die WF-1000XM4 aber dennoch. Doch der Reihe nach.

Auf einen Blick

  • + Guter Klang
  • + Klassenbestes ANC
  • + Rekord-Akklaufzeit
  • + Griffige Oberfläche
  • + Präzise Touch-Erkennung
  • + Durchdachte Features
  • + Gute Einstellungsmöglichkeiten
  • + Wireless-Charging (Case)
  • + Kompaktes Case
  • – Kein Multipoint []
  • – Buttonkonfig wenig granular
  • – Bild/Ton manchmal asynchron
  • – Trittschall
  • – Groß
  • – Durchschnittliches Mikrofon
  • – Flinserl-Look

Fürchterlicher Name, coole Verpackung

Beginnen wir beim Namen – oh, dieser Name … we ef tausend ix em vier. Ich habe mir beim Vorgänger nie die exakte Reihenfolge der Einzelbuchstaben gemerkt und musste sie bei jeder Referenz nachschlagen. Niemand weiß auch so genau, wofür die Buchstaben stehen. Auf Nextpit gibt es einen eigenen Artikel dazu. Das W steht klarerweise für »Wireless«, beim F wird’s schon schwierig, man mutmaßt für »(Wire-)Free«. »1000X« ist Bezeichnung für die Highend-Range von Sony, also die besten der besten in ihrem Bereich (Over-ear, In-ear etc.). Das »M« steht lediglich für »Mark«, was nur in Kombination mit der Ziffer danach Sinn ergibt – im Grunde also die Produktgeneration. Sony Wireless (Wire-)Free »Highend« 1000X, Generation 4 also.

Ein weiteres Problem: Sony hat ein Over-ear-Modell mit dem fast gleichen Namen »WH-1000XM4« im Programm. Jetzt mag die Schnittmenge an potenziellen Kunden, die sich für beide Modelle interessieren gering sein. Aber sobald in Reviews Bezug aufs Noise-Cancelling eines bestimmten Modells genommen wird, ohne einer konkreten Abbildung im Text oder Insert im Video, neigt man schnell dazu, die beiden Modelle zu verwechseln.

Die Verpackung ist dafür umso gelungener: Sie sieht gut aus, ist trotzdem kompakt und besteht aus größtenteils recycelten Materialien, kommt ohne Folie aus, weist aber trotzdem ein Siegel in der Banderole auf – besser geht es eigentlich nicht.

Hinweis: Dies ist ein unabhängiger, nicht kommerziell ausgerichteter Testbericht basierend auf meinen Erfahrungen. Ich habe das getestete Produkt selbst bezahlt, mir stand weder ein Testmodell oder eine Leihgabe zur Verfügung, noch enthält dieser Artikel Affiliate-Links. Ich stehe zudem in keinerlei Beziehung zum Hersteller und/oder Händler. Mehr zur nicht-kommerziellen Ausrichtung von benedikt.io gibt’s unter Über.

In der Packung

Öffnet man die Verpackung, liegt das Ladecease in einer Papierbanderole umwickelt in einem Inlay aus Karton. Im Case befinden sich die Ohrhörer, die Stöpsel in Größe M sind (wie immer) vormontiert. Hebt man das Inlay heraus befindet sich darunter ein Kartonhalter, der einerseits das komplette Kleingedruckte enthält und andererseits an der Oberseite mit 4 einfachen Schritten zur schnellen Inbetriebnahme bedruckt ist – nett. Hebt man wiederum diese Halterung heraus, verbergen sich ganz unten in der Schachtel einmal ein sehr kurzes USB-C-auf-USB-A-Kabel und noch zwei Paar Ohrstöpsel, einmal in Größe L und einmal in Größe S.

Packungshinhalt der Sony WF-1000XM4 auf einem Tisch: Verpackung, Kleingedrucktes, 3 Paar Ohrstöpsel, Ladekabel, Case, linker und rechter Ohrhörer.
Zweckmäßig: Alles Notwendige dabei, aber nicht mehr – der Verpackungsinhalt der Sony WF-1000XM4 (montiert sind nicht inkludierte Comply-Foam-Tips in Größe S).

Features im Schnelldurchlauf

Gute Materialwahl

Nimmt man die WF-1000XM4 aus dem Ladecase kommt man beinahe unbewusst mit zwei Dingen in Berührung, deren geniales Konzept man erst während der ersten paar Wochen Nutzung bemerkt und schätzen lernt: So sind die WF-1000XM4 aus einem matten, sehr griffigen Material (ich habe die schwarze Version). Mir ist erst nach ein paar Tagen richtig bewusst geworden, dass so gut wie alle meine True-Wireless-Ohrhörer glatt sind. Oft rutschen sie einem beim Einsetzen in die Ohren oder beim Verstauen im Case aus den Fingern. Bei den WF-1000XM4 ist das nicht der Fall.

Ein weiterer Vorteil: Die Touch-Bedienung ist dadurch sehr präzise – dazu später mehr.

Als Oberflächenmaterial konnte Sony jedenfalls kaum eine bessere Wahl treffen. Ob das Material langlebig ist, oder sich langfristig glättet, ab- oder auflöst bleibt offen. Nach sechs Monaten Nutzung ist mir diesbezüglich aber noch kein Problem aufgefallen. Fairer- oder eher traurigerweise muss man aber sagen, dass True-Wireless-Ohrhörer aufgrund des Akkus aber eher eine kürzere Lebensdauer haben, wodurch das eher nicht zum Problem werden sollte (kramt mal eure 15 Jahre alte Maus mit entsprechender Beschichtung raus, solche Materialen neigen dazu, sich nach einigen Jahren in ihren ursprünglichen, flüssigen Zustand zurückzuversetzen).

Die Sony WF-1000XM4 mit kompaktem Case auf einem Tisch liegend.
Die Sony WF-1000XM4 mit kompaktem Case.

Case mit USB-C und Wireless-Charging

Auch das Case ist matt und griffig – und sehr kompakt. Prinzipiell ist auch hier der Deckel, wie bei fast allen Cases filigraner Kunststoff. Im Gegensatz zum klapprigen Deckel des PI7-Cases gibt es bei den Sonys aber kurz vorm Einrasten einen kleinen Widerstand, den man überwinden muss. Der Deckel bleibt danach fix in der geöffneten Position. Nur ein Detail, das die Verarbeitung aber wesentlich hochwertiger wirken lässt.

Seit der ersten Inbetriebnahme lade ich das Case nur mehr via Wireless-Charging, konkret mit dem PowerWave-Alloy-Ladepad von Anker und hatte bisher noch keine Probleme. Bei der direkten Entscheidung kleineres Case oder Wireless-Charging würde ich wie einst bei meinen Earin M-2 immer zum kleineren Case bzw. Ladekapsel tendieren, aber praktisch ist das Feature allemal. Das Gehirn bevorzugt offenbar immer die Aktion mit weniger Handgriffen, auch wenn es nur ein minimaler Unterschied ist, zwischen Case auf Pad legen oder Kabel anstecken.

Die Cases von Sony WF-1000XM4, Skullcandy Dime, Sennheiser Momentum True Wireless und Earin M-2 im Vergleich, das der Skullcandy ist am kleinsten, jenes der WF-1000XM4 aber knapp dran.
Die Cases der Sony WF-1000XM4, Skullcandy Dime, Sennheiser Momentum True Wireless und Earin M-2 im Vergleich.

Die Ohrstöpsel sind nicht einfach wie meist üblich aus Silikon oder – weniger üblich – aus Schaumstoff, sondern aus Polyurethan-Schaumstoff. Dieser soll Dichtheit und Komfort von Schaumstoff mit der Langlebigkeit von Silikon kombinieren. Es ist eine gute Idee und sie funktionieren besser als Silikon-Stöpsel. Ich bevorzuge aber dennoch die noch um eine Spur bequemeren Comply-Foam-Stöpsel. Ob sie wirklich länger halten oder sie als Verschleißmaterial gedacht sind, kann ich aktuell noch nicht beurteilen.

Einsetzen ins Ohr, Größe, Look

Die Ohrhörer zählen vom reinen Volumen her sicher zu den größten Vertretern ihrer Art (also True-Wireless-Ohrkanal-Ohrhörer bzw. -In-Ears). Dennoch passen sie gerade noch bequem genug in meine Ohrmuschel. Die Stöpsel selbst sitzen dabei nicht so tief wie z.B. jene der Sennheiser Momentrum True Wireless im Ohr (dazu später mehr). Den Look finde ich prinzipiell ok, aber lustig finde ich, dass vermutlich dutzende Sony-Ingenieure trotz jahrelanger Arbeit ein kleines – zumindest für mich – optisches Manko übersehen haben: Den Flinserl-Look. Mit dem prominenten Doppelring-Element am unteren Ende vermitteln die WF-1000XM4 immer irgendwie den Eindruck, als würde man Ohrringe tragen. Ja, selbst nach den PI7 vermitteln so auch die WF-1000XM4 einen Hauch von Piraten-Look.

App mit durchdachten Einstellungs­möglichkeiten

Positiv überrascht war ich von der App, weil diese nicht nur viele Einstellungsmöglichkeiten bietet (eigentlich ein wahres Einstellungswunder, so viele Optionen hatte noch bei keinem anderen Modell), sondern weil diese auch durchaus nützlich sind. Grundsätzlich zeigt die App oben immer den Bluetooth-Namen der Ohrhörer an, darunter den genutzten Codec und jeweils den Ladestatus für linken und rechten Ohrhörer sowie fürs Case.

Dann gliedern sich die Einstellungen in drei Bereiche: Status, Sound, System.

Das ist wirklich eine ganze Menge und keine dieser Optionen ist meines Erachtens überflüssig, man spielt sich wirklich gerne mit den Einstellungen.

Die Steuerungsanpassung der Touch-Oberflächen ist prinzipiell eine feine Sache. Ich kann damit aber genau jene Buttonbelegung nicht einstellen, die ich am meisten bräuchte: ANC/Ambient-Sound + Lautstärke + Play/Pause. Diese simple Kombination ist schlicht nicht möglich, weil die Aktionsgruppen dafür nicht granular genug aufgeteilt sind und nur je eine Gruppe einem Ohrhörer zugewiesen werden kann. So ist ANC/Ambient-Sound eine Gruppe, welche z.B. dem linken Ohrhörer zugewiesen werden kann. Die Lautstärke ist eine andere Gruppe, die man z.B. dem rechten Hörer zuweisen kann. Dann gibt es aber keine Möglichkeit mehr Play/Pause/Prev/Next zuzuweisen ohne dafür entweder auf ANC/Ambient-Sound oder Lautstärke verzichten zu müssen.

Zunächst dachte ich, dass das in der Praxis kein großes Problem wäre, ist es aber. Zuhause nutze ich links die ANC-Steuerung und rechts die Lautstärke. Das ist praktisch, wenn während des Fernsehens der Cleanmaxx läuft oder man am Rudergerät sitzt. Da ich die WF-1000XM4 vom Lenovo-Laptop, übers iPad, Tab S5e, iPhone bis hinzu Apple TV nutze, ist die Lautstärke-Regelung recht praktisch. Bin ich aber im Zug oder der U-Bahn unterwegs und ein Fahrgast spricht mich an oder mein Fahrschein wird kontrolliert, habe ich so keine schnelle Möglichkeit, die Wiedergabe zu pausieren. Das ist extrem nervig und ich verstehe einfach nicht, warum Sony es nicht geschafft hat, diese elementaren Funktionen unter einen Hut zu bringen. Möglicherweise kann man mit den ortsabhängigen Funktionen die Belegung entsprechend dynamisch anpassen, aber auch das wäre eher eine Notlösung.

Klang, Bass & Lautstärke

Der Ersteindruck des Klangs ist sehr gut. Aber, ich bin streng und sage auch hier: Sie ist im Bereich von 250-bis-300-Euro-Ohrhörern. Nur wegen des Klangs hätte ich von den Sennheiser Momentum True Wireless (Version 1 von 2018, wohlgemerkt) nicht upgraden müssen. Hier scheint in dieser Preisklasse das Ende der Fahnenstange erreicht zu sein. Wer also hauptsächlich wegen des Klangs upgraden möchte, sollte sich vorher unbedingt bzgl. der Klangunterschiede zum eigenen Modell schlau machen.

Die maximale Lautstärke ist sehr gut und gefühlt noch einmal 20 % lauter als die Sennheiser Momentum True Wireless.

Wegen der Einstellungen war ich mir zunächst nicht sicher, habe aber Sonys DSEE-Bassfunktion aktiviert gelassen. Aber, und damit hätte ich nicht gerechnet, diese Einstellung hat mir zunächst auf Dauer nicht getaugt. Denn mir ist beim Hören, auch von Filmen oder Nachrichtensendungen irgendwann aufgefallen, dass der Bass damit sehr früh anschlägt. Selbst bei simplen Geräuschen oder Stimmen nervt das dann. Es ist durchaus subtil und gut gemacht, war mir aber dann irgendwann zu viel. Aktuell habe ich es aber testhalber wieder aktiviert – mal sehen …

Egal, ob DSEE oder nicht, bezüglich Bass neigen die WF-1000XM4 manchmal zur Übertreibung. Auch hier nicht in einer derart extremen Form, dass man die Klangqualität deshalb als schlecht bezeichnen müsste, aber man hat schon manchmal das Gefühl, dass der Bass recht gerne früh gegen Wand donnert und leicht zurück hallt – in Ermangelung einer besseren Beschreibung. Das hat den Vorteil, dass man den Bass aktiv und stark wahrnimmt, im Gegensatz zum subtileren, aber tieferen Bass der Sennheiser Momentum True Wireless. Aber auch den Nachteil eines Hauchs von Brüllwürfel mit zu viel Power – um es sehr zugespitzt zu formulieren.

Dazu sollte man sagen, dass die Klangsignatur der WF-1000XM4 überhaupt zu früher Bass-Aktivierung neigt. Sie klingen super und auch gut abgestimmt. Ich bin mir nach 2 Monaten aber nicht sicher, ob ich klanglich nicht doch denn Sennheiser Momentum True Wireless den Vorzug geben würde. Nicht wegen technischer Überlegenheit, sondern einfach nur, weil mir die Abstimmung der Klangsignatur mehr zusagt.

Akkulaufzeit

Sofern ich in den sechs Monaten keine Neuerscheinung übersehen habe, sind die WF-1000XM4 Spitzenreiter, was die Akkulaufzeit angeht. Mit nur einer Ladung werden bis zu 8 Stunden mit aktivem ANC (!) erreicht (zum Vergleich, die PI7 schaffen mit ANC nur 4), das Case liefert Saft für weitere 16 Stunden. Ohne ANC erhöht sich der Wert einer Ladung auf bis zu 12 Stunden Spielzeit mit weiteren 24 Stunden im Case.

Sony gibt folgende Ladezeiten an: 1,5 Stunden Ladezeit für eine volle Ladung der Ohrhörer an, 3 Stunden für Ohrhörer und Case. Selbst habe ich noch nicht nachgemessen, aber die Geschwindigkeiten, sowohl was das kabellose Aufladen des Cases, als auch jenes der Ohrhörer betrifft, kommen mir relativ schnell vor (exakte Zeiten liefere ich evtl. nach).

Das Case wird beim kabellosen Aufladen übrigens recht warm – zwar nicht bedenklich, aber ich vermeide es, die Ohrhörer währenddessen im Case zu lassen, insbesondere über Nacht. Eine offizielle Warnung von Sony diesbezüglich gibt es nicht, ist nur eine vorbeugende Maßnahme meinerseits für längere Haltbarkeit (weil ich vermute, dass die Wärme auf Dauer nicht gut für die Akkus in den Ohrhörern ist).

Präzise, zuverlässige Touch-Erkennung

Die WF-1000XM4 haben von all den True-Wireless-Ohrhörern, die ich kenne, die mit Abstand beste Touch-Erkennung. Eigentlich war ich ja schon drauf und dran Touch-Oberflächen auf Ohrhörern zu hassen: Extrem unzuverlässig, wehe beim Sport ist eine einmal mit Schweiß benetzt (= löst Dauerfeuer aus) etc. Aber die WF-1000XM4 funktionieren einerseits wohl aufgrund ihrer Größe und andererseits einfach wegen der griffigen Oberfläche, die auch die Touch-Oberflächen mit einschließt, phänomenal gut.

Trotzdem gilt auch für die WF-1000XM4, ist die Touch-Oberfläche genügend mit Schweiß oder Regenwasser benetzt, wird die Touch-Funktion im Dauerfeuer ausgelöst. Hat man beim betreffenden Ohrhörer z.B. die Lautstärke-Regelung eingestellt, wird Schritt für Schriit die Lautstärke reduziert. Da hilft dann nur mehr, die Touch-Oberfläche trocken zu wischen und wieder lauter zu drehen. Beim Laufen im Regen keine leichte Aufgabe.

Kein Multipoint, aber …

Update: Multipoint wurde Ende Februar 2023 mit Firmare 2.0.0 nachgereicht.

Für viele gilt Multipoint als der heilige Gral der Bluetooth-Verbindungsmöglichkeiten. Dem kann ich zwar prinzipiell etwas abgewinnen, z.B. wenn man die Ohrhörer mit dem Laptop zum Musikhören und gleichzeitig mit dem Smartphone zum Telefonieren verbunden haben möchte. Da ich die WF-1000XM4 aber mit sehr vielen verschiedenen Geräten verwende, würde das mein grundsätzliches Problem nicht lösen, nämlich, dass spätestens der Wechsel zum 3. Gerät äußerst mühsam sein kann: Disconnecten vom 1. oder 2. Gerät, schnell mit dem 3. verbinden, bevor sich Gerät 1 oder 2 wieder die Verbindung krallt etc.

Genau das Problem lösen die WF-1000XM4 aber, denn diese lassen sich, auch wenn sie bereits mit einem Gerät verbunden sind, einfach mit einem anderen verbinden, ohne, dass man zuerst mühsam die vorherige Verbindung kappen muss. Ich weiß nicht genau, wovon das bei Bluetooth-Ohrhörern abhängt, aber bei meinen Sennheisern oder auch den Skullcandy Dime ist das nicht möglich: Wehe man sitzt mit denen vorm Beamer und sie verbinden sich mit dem iPad zwei Zimmer weiter. Mit den WF-1000XM4 hingegen kein Problem – da fällt das fehlende Multipoint gar nicht mehr so schwer ins Gewicht.

Vor- und Nachteile beim Sport

Mit einer IP-Zertifizierung von IPX4 (Schutz gegen allseitiges Spritzwasser) sind die WF-1000XM4 prinzipiell gut für Sport geeignet, auch wenn die Konkurrenz hier schon deutlich höhere Werte schafft. Ein Problem ist mir aber insbesondere am Anfang stark aufgefallen: Schritthall (oder heißt es Trittschall?). Aufgrund der Größe setzt beim Laufen (teilweise auch beim Gehen) die Hebelwirkung ein und man hört bei jedem Schritt ein »Klonk« im Ohr. Interessanterweise vor allem, wenn man die Ohrhörer so fest wie möglich in den Gehörgang drückt. Zieht man sie etwas heraus, lässt sich das Problem komplett umgehen, dafür dichten sie dann nicht mehr so gut ab.

Nach einigen Monaten kommt mir das Problem nicht mehr so stark vor, allerdings vielleicht auch, weil ich von den mitgelieferten Stöpseln auf In Airs und kürzlich auf Compy Foam umgestiegen bin. Über die Ohrstöpsel-Wahl sollte sich das Problem also zumindest auf ein normales Maß (vergleichbar mit den Momentum True Wireless) reduzieren lassen.

Am Rudergerät ist die Sache mit dem Noise-Cancelling halt einfach cool, da das Geräusch des Ruders im Wassertank sehr gut reduziert wird. Apropos:

ANC – sehr gutes aktives Noise-Cancelling

Die WF-1000XM4 sind meine ersten Ohrhörer mit aktivem Noise-Cancelling. Mir fehlen zwar die Vergleichsmöglichkeiten, diverse Reviewseiten sprechen bei den WF-1000XM4 aber vom klassenbesten ANC. Dass das Noise-Cancelling auf jeden Fall sehr gut funktioniert, kann ich bestätigen. Als Erstes: Es gibt bei aktivem ANC kein Grundrauschen (wie z.B. bei den Bowser & Wilkins PI7) und Zweitens, ja, es funktioniert eben einfach sehr gut. Wobei man aber sagen muss: Selbst das beste ANC kann keine Wunder vollbringen. Das Schaufelgeräusch beim zuvor erwähnten Rudergerät-Beispiel hört man natürlich trotzdem noch, genau so wie den laufenden Cleanmaxx – nur eben viel, viel leiser.

Cool, aber auch nervig: Speak-to-Chat

Das Speak-to-Chat-Feature ist cool, aber wohl eher etwas für nach der Pandemie im Zug oder in der Öffentlichkeit. Ist es aktiv und beginnt man zu sprechen, pausiert automatisch die Musik bzw. die Videowiedergabe. Zu Hause löst man es oft versehentlich aus, z.B. durch Husten oder Lachen. Wenn man dann zuvor nicht Play/Pause als Funktion auf eine der Touch-Oberflächen gelegt hat, muss man je nach eingestellter Zeitspanne die kompletten 5, 10 oder 15 Sekunden abwarten, bis der Film oder der Song etc. weiterspielt. Für zu Hause habe ich das Feature folglich deaktiviert, obwohl es mir grundsätzlich taugt.

Mikrofonqualität, Telefonieren

Ich verwende die WF-1000XM4 beruflich tagsüber für meine MS-Teams-Calls und da bewähren sie sich einerseits wegen der langen Akkulaufzeit und, weil man sowohl nur den linken, als auch nur den rechten Ohrhörer einzeln verwenden kann. Telefonieren funktioniert zwar in Stereo, aber wenn ich selber aktiver Gesprächsteilnehmer bin, irritiert mich das immer. Sollte am Ende des Tages (Sony gibt bei Telefonie 5½ Stunden mit und 6 Stunden ohne ANC an) der Akku knapp werden, kann man zudem leicht wechseln, indem man zuerst den zweiten Ohrhörer ins Ohr steckt, bevor man den ersten, fast leeren ins Case zurücklegt.

Die Qualität des Mikrofons ist aber eher Durchschnitt und bewegt sich am üblichen, eher mageren Qualitätsniveau so gut wie aller True-Wireless-Ohrhörer, die ich den letzten Monaten ausprobiert habe. Anbei übrigens ein kurzer Tipp, wie man in Windows die Lautstärken fürs Hands-Free-Profil und dem A2DP-Profil getrennt regeln kann.

Hardware-Equalizer

Ich selber habe mich nie groß um Equalizer-Einstellungen gekümmert, bis ich einmal von einem Leser bei einem meiner Shure-Posts dazu per Mail gefragt wurde. Kurz, ja, auch die WF-1000XM4 haben nicht nur einen personalisierbaren Equalizer, dieser wird auch direkt auf der Hardware (den Ohrhörern) gespeichert, sodass ihr nicht beim Wechsel auf ein Gerät ohne Sony-App auf den Equalizer verzichten müsst. Und ich habe mich zum ersten Mal tiefergehend damit auseinandergesetzt und z.B. versucht via Equalizer die Harman-Kurve nachzubauen. Diesen Preset hatte ich dann auch einige Zeit im Einsatz, bin dann aber wieder auf den Standardpreset zurück gewechselt, der war für mich doch angenehmer. Aber es funktioniert und neben vorgefertigten Presets kann man zudem zwei Slots komplett frei belegen.

LDAC – der beste Codec, aber …

Jedes Android-Gerät mit mindestens Android 8.0. unterstützt prinzipiell LDAC – den am Papier besten Bluetooth-Audio-Codec. Um diesen mit den WF-1000XM4 zu verwenden, muss man zunächst in Sonys Headphones-App bei Sound die Priorität auf »Klangqualität« statt »Verbindung« stellen. Dann kann man am Smartphone oder Tablet bei den Bluetooth-Verbindungen bei den WF-1000XM4 die Zusatzoption LDAC aktivieren. Apple-User gehen leer aus, weil iOS und iPadOS nur SBC und AAC unterstützen.

Aber hört man einen Unterschied? Nun, nennt mich einen terrischen (tauben) 40-Plus-Boomer, aber ich würde sagen, nein. Zumindest keinen, bei dem ich mir sicher wäre, einen Blindtest zu bestehen. Ausprobiert habe ich das sowohl in Spotify als auch mit einem Tidal-HiFi- und Deezer-HiFi-Abo. Keiner dieser Dienste bietet selbst im höchsten Tier mit LDAC encodierte Musik an (selbst dann ist nicht gesagt, dass beim Transfer vom Streamingdienst zum Ohrhörer nicht doch erneut enkodiert wird). Die Theorie wäre aber, dass Musik via LDAC mit entsprechend gering oder gar lossless-komprimiertem Ausgangsmaterial an den WF-1000XM4 besser klingt – in einem Blindtest würde ich aber, wie gesagt, nicht darauf wetten.

Probleme mit asynchronem Ton

Eine Problem, bei dem ich mir noch nicht sicher bin, wann es genau auftritt, ist asynchroner Ton. Zumindest mit Apple TV und ab einer bestimmten Laufzeit (gefühlt nach 45 Minuten bis einer Stunde). Das lässt sich beheben, indem man die Wiedergabe stoppt und den Player neu startet, kann aber ein Dealbreaker sein. Ich versuche das Problem noch gezielt zu reproduzieren und vermute, dass es eventuell mit Verzögerungen durch die Audiosignal-Verarbeitung (z.B. bei ANC oder Umgebungsmodus) zusammenhängt – ich halte euch auf dem Laufenden.

Gimmick oder Vision? Die Sache mit 360 Reality Audio

Groß beworben wird von Sony auch die Fähigkeit der WF-1000XM4, das Format 360 Reality Audio abspielen zu können. Die Funktion habe ich mir bereits in einem eigenen Post näher angeschaut, unterm Strich sehe ich dieses Feature aber bestenfalls als ausbaufähig und schlimmstenfalls als ein überteuertes Gimmick ohne Zukunft.

Fazit

Wer schon länger keine True-Wireless-Ohrhörer mehr gekauft hat oder zum ersten Mal welche kaufen will, kann mit den Sony WF-1000XM4 nichts falsch machen. Auch wenn die UVP mit 279 Euro recht hoch ist, so sind sie das Geld allemal wert. So gut ausbalancierte Alleskönner, die sich für nahezu jede Tätigkeit eignen (stundenlange Calls in MS Teams, Sport etc.), findet man selten. Und das fast ohne Kompromisse: Rekordverdächtige Akkulaufzeit, klassenbestes ANCs, vielfältige Einstellungsmöglichkeiten, guter bis sehr guter Sound.

Bedenken sollte man aber, dass sich das Upgrade je nach vorhandenem Modell klanglich womöglich nicht auszahlt, die WF-1000XM4 sicher zu den größten Vertretern ihrer Art gehören (und es dadurch auch zu Problemen mit Schritthall kommen kann) und es bei Filmen zu Asynchronität kommen kann (eine Lösung würde die Gesamtwertung noch etwas erhöhen – stay tuned). Wer das berücksichtigt, dem kann ich die Sony WF-1000XM4 aber empfehlen.

Eine gute Wahl ★★★★☆


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Sony WF-1000XM4 https://benedikt.io/media/16780/sony-wf-1000xm4.jpg