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Sennheiser Momentum 3 – Test: Gut, aber Revision überfällig?

3.5 / 5 Sterne·20.6.2022·Kommentare:  2Retweets:  1 0

In meinem Test der Sennheiser Momentum 3 Wireless versuche ich klären, warum Sennheisers Bluetooth-Topmodell nicht meine erste Wahl wäre, obwohl es gut verarbeitet ist und guten Sound bietet.

Bügeldetail-Ansicht mit sichtbarem Kabel, einmal kompakt zusammegeklappt, Detailansicht der Ausbeulung im Schutzfilz.
Klingenartige Bügel, kompakt zusammenklappbar, Ausbeulung im Schutzfilz?!

Start einer schwierigen Beziehung

Zugegeben, als ich mir die Momentum 3 als eines von drei Kopfhörer-Modellen via Grover ausgeborgt habe, lagen die Sennheiser trotz höchster UVP (399 Euro) zunächst einige Tage unbenutzt herum. Denn die ebenfalls ausgeborgten Shure Aonic 50 (siehe auch meinen Test) hatten es mir einfach angetan und folglich tendierte ich bei jeder Testsession immer zu diesen.

Hinweis: Dies ist ein unabhängiger, nicht kommerziell ausgerichteter Testbericht basierend auf meinen Erfahrungen. Ich habe die Miete für das getestete Produkt selbst bezahlt, mir stand weder ein Testmodell oder eine (kostenlose) Leihgabe zur Verfügung, noch enthält dieser Artikel Affiliate-Links. Ich stehe zudem in keinerlei Beziehung zum Hersteller, Verleiher und/oder Händler. Mehr zur nicht-kommerziellen Ausrichtung von benedikt.io gibt’s unter Über.

Als ich mich dann doch endlich zu den Momemtums »durchringen« konnte, sagten mir Haptik und Klang zunächst überhaupt nicht zu. Nach gut einem Monat Nutzung muss ich aber zugeben, dass die meisten meiner Kritikpunkte vermutlich nur eine Frage des Geschmacks sind. Und ja, während die Klangsignatur, wie in meinen Ersteindrücken beschrieben, direkt nach den Aonic 50 wie ein Schock wirken kann, klingen die Momentum 3 natürlich gut, um nicht zu sagen, sehr gut.

Stärken und Schwächen

  • + Guter bis sehr guter Klang
  • + Multipoint
  • + AptX Low Latency
  • + Zusammenklappbar
  • + Sehr gutes ANC
  • – Fürs Gebotene hohe UVP
  • – Standardsignatur zu basslastig
  • – Eigenwillige Haptik
  • – Teils fragwürdige UX
Die Verpackung der Sennheiser Momentum 3 Wireless.
Die Verpackung ist nüchtern, dafür ökonomisch und platzsparend.

Ökonomische Verpackung, lahmes Case

Zunächst zur Verpackung. Im Gegensatz zu den Aonic 50 ist die viel nüchterner, um nicht zu sagen langweilig – dafür aber platzsparend und ökonomisch. Vom Transporttäschchen, das mich sehr an ein Toilettentäschchen erinnert hat, war ich nicht sehr angetan. Natürlich ist es platzsparender als das Tortencase der Aonic 50, aber von der Wertigkeit her kein Vergleich.

Gute Specs … für 2019

Kommen wir zu den Spezifikationen. Die sind gut, aber nicht ganz so gut wie jene der Aonic 50 und hier merkt man auch, dass das Modell »schon« 2019 erschienen ist.

Eigenwillige Haptik

Beim Auspacken und Aufklappen der Momentum 3 sind mir bei der Haptik drei Punkte aufgefallen, dir mir gar nicht gefallen. Ich gebe aber zu, dass das eher in Bereich persönliche Wahrnehmung fällt.

Ansicht der Buttons auf dem rechten Hörer, die Einzwick-Warnung auf einem Bügelscharnier und die Frontansicht des rechten Hörers mit Klingenüberstand nach unten.
Buttonkonzept, »Einzwick«-Warnung und leichter Klingenüberstand.

1. »Riskantes« Klingendesign

An der Seite eines Bügels ist doch tatsächlich eine Warnung angebracht, dass man sich beim Aufklappen die Finger einzwicken kann (die Warnung bezieht sich nicht auf das Einzwicken beim Ausziehen, sondern beim Auf- und Zuklappen!) Das dürfte bei den Momentum 3 nämlich mehr wehtun, als bei anderen Over-Ears mit Klappmechanismus. Sennheiser hat hier versucht, diesen über ein elegantes Klingendesign zu realisieren. Wenn ein Stück Haut dazwischen kommt, tut das vermutlich viel mehr weh, als z.B. beim Plastikbügel der Austrian Audio Hi-X25BT. Fairerweise sei gesagt, dass mir das nie passiert ist und ich das Risiko diesbezüglich auch als gering einstufe.

2. Seltsame »Schiebeknöpfe«

Komisch finde ich auch, dass die runden Schiebregler für die Größenverstellung den Eindruck erwecken, man könne diese durch drehen fixieren. Kann man aber nicht. Nicht falsch verstehen, einmal eingestellt, verstellt sich die Größe nicht von selbst und von daher ist der Mechanismus gut umgesetzt. Aber es sieht komisch aus.

3. Ausbeulung im Schutzfilz

Der dritte Punkt, der mir sofort aufgefallen ist und für ein Produkt dieser Preisklasse gar nicht geht: Irgendwas beult den Schaumstoffbezug (Schutzfilz) der Treiber aus (siehe Foto). Ich bin kein Experte, aber das sieht beinahe so aus, als wäre die Platine mit der Verkabelung zum Akku verkehrt herum montiert worden, siehe z.B. diese iFixit-Anleitung Schritt 4 (ja, das ist ein anderer Kopfhörer, aber ich vermute, dass der Aufbau der Momentum 3 ähnlich ist). User auf Reddit meinen allerdings, dass das normal sei und, dass es sich um ein Mikrofon handelt – für einen hochpreisigen Kopfhörer eines Premium-Herstellers kommt mir das jedenfalls sehr unorthodox vor.

(Zu) eng für großen Kopfumfang

Beim Aufsetzen waren die Momentum 3 die spürbar engsten in meinem Testreigen (Shure Aonic 50, Austrian Audio Hi-X25BT, Sony WH-CH710N). Auch das Tragen um den Hals fühlt sich fast so an, als würden sie einen erwürgen wollen. Der Eindruck entsteht, weil bei diesem Modell die Ohrmuscheln nicht ganz drehbar sind. Die Momentum 3 sind zwar einklappbar, die Ohrmuscheln lassen sich aber nicht flach drehen. Selbst nach meinem Testmonat kamen sie mir nach einer Stunde noch immer zu eng vor. Und nach 3 Stunden spürt man den Druck schon ziemlich. Mein Kopfumfang beträgt ca. 60 cm, wer diesbezüglich empfindlich ist, sollte also vorher gründlich testen oder sich nach Alternativen umschauen.

Langsames Aufladen?

Trotz offizieller Angabe von 3 Stunden für eine volle Akkuladung, ist mir aufgefallen, dass die Momentum gefühlt ewig zum Aufladen brauchen: Von unter 20 % auf ca. 60 % in vollen 5 Stunden. Ich würde zwar nicht davon ausgehen, dass das der Normalfall ist, solltet ihr euch die Kopfhörer zulegen und ähnliches beobachten, würde ich mal bei Sennheiser nachfragen.

Umständliches Einschalten

Ein weiteres Kuriosum: Man kann die Momentum durch langes Drücken mit dem Play/Pause-Button ausschalten, aber nicht mehr einschalten. Ich musste fürs Einschalten extra die Google-Suche bemühen und tatsächlich: Man muss die Momentum 3 fürs erneute Aktivieren einmal zusammenklappen und wieder ausklappen (via USB-C anstecken schaltet sie auch ein). Auch langes Drücken auf den Bluetooth-Pairing-Button schaltet die Momentum 3 nicht wieder ein.

(Nicht weiter tragisch, aber auch interessant: Die Computer-Stimme der doch recht teuren Over-Ears sagt immer »Phone 1 connected«, auch, wenn’s z.B. ein PC ist. Klar, eine Kleinigkeit, aber sonderlich fortschrittlich oder gar nach Premium wirkt das nicht.)

Die UX beim Einschalten ist somit cool: Ausklappen, aufsetzen, fertig, los. Aber: Im Falle von mehreren verbundenen Geräten muss man bei Verbindungsproblemen (= herumspielen, bis sie sich mit dem gewünschten Gerät verbinden) die Kopfhörer jedes Mal abnehmen, einklappen, ausklappen und wieder aufsetzen: Das ist wirklich ultra-mühsam und ein echter Nachteil.

Verbesserungswürdige Buttons

Gerade im direkten Vergleich mit den Aonic 50 finde ich die Buttons verbesserungswürdig. Zwar ist der ANC-Schieberegler cool (dazu gleich mehr), aber die normalen Buttons sind schmale Hartgummi-Buttons, die sich nicht so einfach drücken lassen, wie die großzügiger bemessenen Kunststoff-Buttons der Aonic 50.

Sie Sennheiser Momentum 3 Wireless aufgesetzt und eine Detailansicht der geschliffenen Bügelrundungen.
Das Klingendesign ist vermutlich nicht jedermanns Geschmack (links), der spürbare Übergang der Bügelkannte zur Abrundung (rechts).

Klingenartige Bügel mit stufenloser Verstellmöglichkeit

Ich wollte fast schon messerscharfe Klingen schreiben, habe dann aber gedacht, dass das doch zu extrem wäre. Die Abschlüsse (Rundungen) der Bügel unten sind aber tatsächlich etwas schärfer und rauer als die Geraden. Auch die Übergänge von Gerade zu Rundung ist spürbar, weil hier das Metall für die Rundung geschliffen wurde. Positiv: Die Bügel sind stufenlos einstellbar und halten – also sicher cooles Engineering, aber der Mehrwert gegenüber klassischen Lösungen ist fraglich, die Nachteile überwiegen meiner Meinung nach. Ein kleiner Nachteil bei stufenloser Größenanpassung ist zudem, dass man die Einstellung nicht so einfach symmetrisch hinbekommt, wie mit Rasterstufen.

Kabelbetrieb mit Tücken

Da war es ebenso wie beim Ein/Ausschalten notwendig, Google bzw. die Anleitung zu befragen. Denn einfach Kabel anstecken und Abspielen ging nicht. Da sich die Momentum 3 beim Aufklappen immer einschalten, verbinden sie sich sofort mit dem nächstbesten Gerät, übers Kabel kommt dann kein Ton. Auch die Anleitung half aber nicht weiter. Bis ich gecheckt habe, dass man das Kabel nicht einfach anstecken kann, denn der 2,5 mm-Stecker hat eine Einbuchtung, die beim (trotzdem noch) strengen Anstecken genau mit der entsprechenden Erhebung im Anschluss übereinstimmen muss. Wer denkt sich sowas aus?

Gutes ANC mit Schieberegler

Das ANC funktioniert ähnlich gut wie bei den Aonic 50 (getestet mit Dunstabzugshaube und Cleanmaxx). Interessant ist die Implementierung der ANC-Steuerung: Im Gegensatz zu den Aonic 50, wo ein Schiebeschalter mit drei Positionen (ANC, Aus, Ambient) besonders beim Treffen der mittleren Position mühsam sein kann, gibt es hier einen Schiebeschalter mit 2½ Positionen. Position 1 ist alles AUS (ANC, Ambient). Position 2 schaltet ANC ein und Ambient aus. Dann kann der Schalter aber noch einmal ein Stückchen weiter nach unten geschoben werden, erreicht man das untere Ende wird ANC aus und Ambient aktiviert. Lässt man den Schalter los, rutscht er von dieser »2½. Position« von allein in Position 2 zurück. Ein gute Idee, da die Auswahl des Modus via Buttons so bequemer und zuverlässiger funktioniert als bei den Aonic 50.

Guter Sound – mit entsprechendem Setting

Ich habe in der Einleitung erwähnt, dass ich vom Sound zunächst gar nicht angetan und leicht schockiert war. Am Beispiel des Tracks Themyscira vom »Wonder Woman 1984«-Soundtrack: Da wird man vom Bass richtiggehend erdrückt, die Aonic 50 geben diesen viel lebhafter wieder, mit den Austrian Audio Hi-X25BT immerhin knapp hinten nach.

Interessant dabei: Selbst die damals gleichzeitig erschiene In-Ear-Version, wenn man so will, die Sennheiser Momentum True Wireless bringen dieses Stück viel besser und ausbalancierter rüber. Komisch deshalb, weil man vom Branding her die gleiche Signatur erwarten würde, aber die scheinen komplett unterschiedlich zu sein. So, als wäre erst im letzten Moment beschlossen worden, beiden Modellen das Momentum-Branding zu verpassen.

Die Sennheiser-App und das (offenbar nachgereichte) Setting »High-End Sound Tuning« schafft hier Abhilfe und liefert gefühlt mehr Details bei Stimmen etc. und reduziert den Bass so, dass er erst viel später und natürlicher anschlägt. Dafür ist aber der Equalizer deaktiviert und selbst mit diesem Setting kommen sie nicht an die Aonic 50 ran.

Nicht falsch verstehen, die Momentum 3 klingen schon gut, aber halt wie klassisch hochgezüchtete, bassbetonte Over-Ears, die gefällig klingen sollen. Die Aonic 50 sind Rock – gefällt mir besser. Ich will keine Klischees bedienen, aber die Momentums wirken eher kontrolliert und um harmonische Klangwiedergabe bemüht – das machen sie auch sehr gut, keine Frage. Die Aonic 50 sind hingegen viel ungezähmter.

Apropos: Bei den Aonic 50 habe ich geschrieben, es gibt viel Bass oder guten Bass. Die Momentum 3 versuchen hier eine Brücke zu schlagen und das funktioniert auch so halbwegs. Mit aktiviertem High-End-Sound-Tuning wird der auf ein natürliches Level zurückgefahren, man bekommt besseren Klang und ist dann auch eindeutig im »Guten Bass«-Bereich.

Fazit

Trotz hoher UVP sind die Sennheister Momentum 3 Wireless im Handel ab ca. 260 Euro zu haben. Preislich sind sie somit (zumindest mit aktiviertem High-End-Sound-Tuning) wohl halbwegs argumentierbar. Alternativen wie die Aonic 50 bieten aber mehr für weniger und das Drumherum der Momentums ist für mich in vielen Bereichen nicht auf Premium-Niveau. Für mich wären die 3er mehr als reif für eine Revision und die Momentum 4 längst überfällig (also vielleicht lieber noch etwas warten).

★★★½☆


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