Amazon: So kommen »Das weiß ich nicht«-Antworten bei Produktfragen zustande
Erich Kocina hat kürzlich auf Twitter und in der Kolumne »Mein Montag« der »Presse« die Frage gestellt, warum Menschen, die keine Ahnung haben, trotzdem etwas sagen müssen. Gute Frage. Zumindest das Amazon-Beispiel kann ich aber, glaube ich, aufklären. Denn in diese »Das weiß ich nicht«-Falle wäre ich beinahe selber schon getappt.
Also, wie kommt es im Frage-&-Antwort-Bereich auf Amazon-Produktseiten dazu, dass Menschen, die die Antwort gar nicht kennen, trotzdem mit »Das weiß ich nicht« antworten? Das machen Leute ja weder in Foren, noch auf Social Media und eigentlich hat man ja schon damals in der Schule eher nicht aufgezeigt, um dann zu sagen, »Frau Professorin, das weiß ich nicht!«
Ein Beispiel auf Amazon.de
Zunächst einmal, so sieht das leicht irritierende Endergebnis auf Amazon aus (Disclaimer: Produkt und Frage real, Antwort zu Demozwecken von mir geändert):
- Das Brydge-Keyboard hatte ich einst gekauft (und getestet),
auf der Produktseite wurden Fragen wie diese gestellt.
Amazon schickt auch E-Mails
Dazu sollte man zunächst wissen, dass man diese Fragen nicht nur direkt auf der Website beantworten kann. Amazon schickt nämlich Käufer:innen dieser Produkte auch E-Mails mit diesen Fragen samt Aufforderung, diese zu beantworten. Und die sehen dann so aus:
- Solche Mails bekommt man als Käufer:in von Amazon (Frage & Username leicht verändert).
Call-to-Action par excellence
Das fällt für mich unter Call-to-Action-Überoptimierung: Durch die direkte Ansprache entsteht nämlich sofort das Gefühl, dass man hier wohl absichtlich ausgewählt wurde. Man fühlt sich fast schon ein bisschen gezwungen zu antworten. Schon rein aus Höflichkeit, weil man ja direkt gefragt wurde. Oder, noch schlimmer, man interpretiert die Frage als direkt vom Fragesteller an einen persönlich gerichtet (und nicht an die Allgemeinheit auf der Amazon-Website).
Und das resultiert dann eben erstaunlich oft in diesen »Das weiß ich nicht«-Antworten. Oder, um beim Beispiel aus der Schule oben zu bleiben: Wenn man von der/dem Professor:in direkt gefragt wurde, dann blieb einem eben nichts anderes übrig, als die eigene Ahnungslosigkeit einzugestehen1.
Jetzt könnte man natürlich sagen, »Moment, die/der Kund:in hat doch das Produkt und müsste die Antwort ja kennen?« Nun, nicht unbedingt. Denn einerseits kann es sich natürlich um komplexere Fragen handeln, die man trotzdem nicht beantworten kann. Und Amazon verschickt auch teilweise Fragen zu vergleichbaren Produkten, die man gar nicht besitzt (z.B. habe ich neben Fragen zum Brydge-Keyboard für 10,5-Zoll auch Fragen zu jenem für 9,7 Zoll erhalten).
Amazon hat irgendwann, wohl um das Problem abzufedern, unter dem prominenten »Diese Frage beantworten«-Button einen weit weniger auffälligen »Ich kenne die Antwort nicht«-Link eingefügt:
- Mindestens seit 2021 gibt es die Option,
keine Antwort parat zu haben. (Frage & Username leicht verändert)
Wie gut der genutzt wird, kann ich allerdings nicht sagen. Auch nicht, was nach dem Klick darauf genau passiert (jener, den ich zuletzt bekommen habe, ist nicht mehr gültig). Gerade bei länger am Markt erhältlichen Produkten kursieren diese »Nicht-Antworten« aber nach wie vor. 🤷♂️
- Im Gegenzug wäre es natürlich witzig zu wissen, ob es auch Amazon-Kund:innen gibt, die versuchen, sich über eine solche Frage drüberzuschummeln und Wissen vortäuschen. 😆 ↩
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