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Jira: Checkliste mit Check­boxes ein­fü­gen – Atlassians MVP-Problem

31.3.2021·Kommentare:  2Retweets:  0 1

Wer in Jira ein benutzerdefiniertes Feld anlegt und als Typ »Kontrollkästchen« für eine Checkliste mit Checkboxes einstellt, könnte etwas über die eigenwillige Implementierung irritiert sein.

Checklisten sind einfach

Für mich sind Checklisten (also HTML-Checkboxes in Listenform) eine relativ simple Sache. So simpel, dass ich sie ganz schnell mit HTML-Grundkenntnissen wie folgt anlegen kann:





Ich habe mir bei dem Beispiel gleich die Freiheit herausgenommen, eines der Killerfeatures solcher simplen Listen zu demonstrieren: Man sieht auf einen Blick, welche Möglichkeiten es insgesamt gibt und welche davon ausgewählt sind. Oder im Falle echter Checklisten: Man sieht, welche Kriterien es gibt, welche bereits erfüllt werden und welche nicht.

Wenn man in der Softwareentwicklung agile Methoden wie Scrum anwendet, bezeichnet man so eine Lösung als MVP, ein Minimum Viable Product, das die erste minimal funktionsfähige Iteration eines Produkts darstellt: Liste mit Checkboxes, diese können angehakt werden – passt (fürs Erste).

Atlassian: Checklisten sind nicht einfach

Und das bringt mich zur de-facto Standardlösung im Bereich agiler Software-Entwicklung, Atlassians Projektmanagement-Tool Jira. Ein Tool, das Atlassian aktuell auf seiner Website wie folgt bewirbt:

The #1 software development tool used by agile teams

Jetzt sind gerade im agilen Bereich solche Listen in Form von Akzeptanzkriterien oder der Definition-of-Done ein relevanter Bestandteil einer User-Story (um den verpönten Begriff Ticket zu vermeiden). Wenn man mit einem MVP wie oben beschrieben startet und am Ende bei dem landet, was Atlassian unter einer Checkliste versteht, muss entweder irgendwo im Prozess etwas schiefgelaufen sein oder man ist nicht von einem MVP ausgegangen.

Wie sieht sie also aus, die Standardlösung für Checklisten des #1-Software-Development-Tools für agile Teams?

Checkliste in Jira einfügen

Um z.B. eine Definition-of-Done-Checkliste anzulegen, muss man hierfür aktuell wie eingangs erwähnt ein benutzerdefiniertes Feld anlegen (Einstellungen (Zahnrad) → Vorgänge → Benutzerdefinierte Felder) und diesem den Typ »Kontrollkästchen« geben. Anschließend kann man hierfür verfügbare Werte erstellen.

Frankensteins Checkliste

Und wie sieht diese Liste, in unserem Fall die Definition-of-Done, in der Standardansicht nun aus?

Definition-of-Done als benutzerdefiniertes Feld mit Kontrollkästchen

Soso, da steht also einfach nur das Wort »Keine«. Es gibt also noch keine Definition-of-Done? Was auf den ersten Blick wie ein schlecht gewählter Standardbegriff aussieht, ist in Wahrheit bereits eine Liste mit auswählbaren Optionen. Um diese sichtbar zu machen, muss man aber zunächst »Keine« anklicken1:

Wo sind die Listeneinträge?

Dann tut sich allerdings noch nicht viel – man aktiviert damit lediglich eine Mischung aus Textfeld und Dropdown. Dort kann man aber immerhin nach Einträgen filtern, was in Anbetracht der Tatsache, dass gar keine Einträge sichtbar sind, Kaffeesudlesen gleichkommt. Klarer wird die Situation, wenn man die Liste aufklappt:

Heureka!

Dann werden die tatsächlich verfügbaren Optionen eingeblendet. Für eine simple Checkliste schon ein ziemlich mühsamer Prozess – aber, man ahnt es schon, das war noch nicht alles. Wählt man nämlich nun einige Einträge aus …

Einträge auswählen entspricht noch am ehesten einer Checklist.

… und schließt das Dropdown, wird auch noch der letzte Vorteil einer Checkliste zunichte gemacht, indem einerseits nur die aktiv ausgewählten Einträge sichtbar sind und diese noch dazu als Labels nebeneinander angezeigt werden:

Labels in einer Zeile sind nicht das, was man sich unter einer Checkliste vorstellt.

Fazit

Diese Art der Dateneingabe mag in bestimmten Fällen vielleicht gewünscht sein (mir fallen allerdings keine ein), ist aber nicht das, was man sich normalerweise unter einer Checkliste vorstellt. Als Pilot würde ich keine Checkliste verwenden wollen, auf der ich nicht sofort sehe, dass z.B. noch nicht aufgetankt wurde. Zu all dem Übel kommt noch der Umstand hinzu, dass nur im Vorhinein definierte Werte möglich sind. Man kann als Benutzer keine beliebigen Einträge hinzufügen, die Nutzung als Checkliste für Akzeptanzkriterien, die bei jeder Story komplett unterschiedlich sind, fällt somit aus.

Plugins als Alternative

Wer klassische Checklisten benötigt kann sich zwar mit teilweise kostenlosen Plugins wie Issue Checklist for Jira oder Multiple Checklists for Jira behelfen, dass das Standardtool für agile Softwareentwicklung aber nicht einmal eine rudimentäre Lösung dafür bietet, mutet schon etwas seltsam an.


  1. »Du musst Keine anklicken«, erinnert an Odysseus beim Zyklop Polyphem. 

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2 Kommentare

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#1 von Martin Seibert am 29.1.2023, 21:29 Uhr

Hihi. Das ist wirklich eine amüsante Story. Das von Dir dargestellte Feature ist von Atlassian ganz sicher nie für den Anwendungsfall einer Checkliste, wie sie zum Beispiel in Trello implementiert ist, vorgesehen gewesen.

Und ja, ich verstehe auch, dass es irgendwie komisch ist, dass so viele Dinge in Jira über Apps abgebildet werden. Wir selbst stellen auch eine App für Checklisten in Jira und Confluence her, die man unter https://checklist.info ansehen kann.

Dabei ist es oft so, dass wir glauben, dass man bestimmte Dinge einfach noch viel besser machen kann als auch von Dir hier beschrieben oder in Trello oder vielen vergleichbaren Produkten implementiert. Wenn Du bei James Clear mal zur 1%-Methode nachliest oder das »Checklist Manifesto« von Atul Gawande, dann tun sich ganz neue Potenziale für Qualität, Zuverlässigkeit, Prozesstreue und Fehlervermeidung durch Checklisten auf.

Wenn man da digital hin will, muss man Checklisten super einfach, schnell, mobil, ohne Login für jedermann zugänglich machen.

Jira macht oft nur die basalen Anforderungen. Und zugegeben manche davon nicht besonders hübsch. Aber der Fakt, dass es Erweiterungen für all diese Dinge gibt, ist etwas, was Jira von anderen Produkten signifikant unterscheidet.

#2 von Benedikt am 30.1.2023, 20:36 Uhr

Hi Martin, vielen dank für dein Feedback und schön mal wieder von euch zu hören (habe ein paar Zertifizierungen von euch an der Wand hängen 😉)!

Dass Atlassian die Lösung nie als Checkliste gedacht hat, glaub ich sofort. Nur erstens, wofür dann? Und zweites, warum heißt es »Kontrollkästchen« (= Checkbox = als Mehrzahl unweigerlich Checkliste)?  😁 So wie es implementiert ist sollte das wohl eher Dropdown-Label-List-Builder oder so heißen … 😆

Wusste gar nicht, dass ihr auch eine Checklisten-App anbietet – hattet ihr die damals schon? Bilde mir ein, dass mir die, als ich den Post geschrieben habe, noch nicht untergekommen ist.

Zur »1-%-Methode« und dem »Checklist Manifesto« kann ich leider nichts sagen. Die Titel kommen mir seit Jahren (ich glaube insbesondere auf Scrum Gatherings, hehe) immer wieder unter, aber da muss ich mich erst mal weiterbilden 😉 – danke jedenfalls für die Tipps.

Genau die von dir erwähnten Basis-Anforderungen sehe ich eben beim Checklist-Ungetüm von Atlassian nicht (das meinte ich im Titel zynisch mit »Atlassians MVP-Problem«). Das würde schon zutreffen, wenn ich mich darüber beschweren würde, dass Atlassians Checkliste nichts kann oder zu einfach ist – es ist aber genau umgekehrt.

Dass vieles über Apps/Erweiterungen gelöst wird (auch wenn man die Möglichkeit an sich, wie du richtig sagst, wohl mehr schätzen sollte), stört mich gar nicht so. Es wundert mich halt nur, dass es keine einfachen Checklisten gibt und man dafür extra eine App braucht – und ich bilde mir fix ein, dass es diese einfachen Checklisten mal integriert gab – zumindest um 2015 rum, als noch alle ihre eigenen Jira-Instanzen gehostet haben/hosten wollten. 😅

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