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»Wall·E« – Die ultimative typografische Herausforderung

25.9.2008·Kommentare:  4

»WALL·E«, »WALL•E«, »WALL-E«, »Wall-E«, … – wie schreibt man Pixars neuesten Film wirklich? Eine Expedition in den Dschungel der Typografie, Anglizismen, Akronyme und deutschen Rechtschreibung

Wie kann ein Titel mit fünf Buchstaben eigentlich nur so ein schwieriger Fall sein? In dieser Frage steckt schon das erste Problem, denn »Wall·E« hat eigentlich sechs Zeichen. Doch der Reihe nach …

Was bedeutet »Wall·E«?

»Wall·E« steht für »Waste Allocation Load Lifter – Earth-Class«. Auf den ersten Blick ein klassisches Akronym, das bei richtiger Aussprache aber fast als Apronym durchgehen könnte, denn dann hört sich »Wall·E« wie der englische Name Wally an.

Blockschrift?

Das Filmlogo ist in Blockbuchstaben gesetzt und so scheint der Fall zunächst klar: »Wall·E« schreibt man eben in Großbuchstaben. So einfach ist es aber dann doch nicht:

  1. Es gibt einen Haufen Filme, deren Titel im Vorspann zwar in Blockschrift erscheinen (Star Wars, Raiders of the Lost Ark, Back to the Future, etc.), die in Überschriften und Fließtext aber ganz normal geschrieben werden.
  2. »Wall·E« mag eine Abkürzung wie z.B. DVD sein, es gibt aber die Richtlinie, dass Akronyme, welche als Wort gesprochen werden können, wie ein normales Hauptwort geschrieben werden1 – bestes Beispiel für so ein »Initialwort«: Bawag. Dies mag für die englische Sprache nicht zwingend gelten, es spricht aber nichts dagegen Anglizismen nach ihrer »Assimilation« weiter zu verfeinern2.
  3. Mag ich diese Regel einfach, weil sie dem Leser mitteilt, ob das Akronym als Wort gesprochen oder buchstabiert wird. In der Hinsicht ist »Wall·E« also ein klarer Fall.

Über die Groß- bzw. Kleinschreibung des E lässt sich streiten und diese hängt meiner Meinung nach auch mit dem Trennzeichen nach »Wall« zusammen. Schlagen wir uns also weiter durch:

Dieser verflixte Punkt!

Weil die Klassenbezeichnung (»Earth-Class«) von »Wall« nicht Teil seiner Funktionsbeschreibung (»Waste Allocation Load Lifter«) ist, hat Pixar einen eleganten Punkt zwischen »Wall« und dem E eingefügt.

Noch dazu nicht irgendeinen Punkt sondern den so genannten Hochpunkt (»·«). In HTML auch Middle Dot, im Englischen »gregorian comma« genannt. Da man den auch nach langer Suche nicht auf der Tastatur findet, greifen die meisten Schreiberlinge auf Alternativen zurück:

Wir landen also wieder beim Hochpunkt, der bei genauerer Betrachtung für diesen Zweck gar nicht so weit hergeholt scheint. Dieser hat im Deutschen nämlich die gleiche Bedeutung wie der Strichpunkt, welcher wiederum zwei gleichrangige Wortgruppen verbindet: »Waste Allocation Load Lifter; Earth-Class«. Zugegeben, ein stinknormaler Beistrich würde es an dieser Stelle auch tun, der Strichpunkt bzw. der Hochpunkt ist aber näher an der Intention der Macher.

Also das E jetzt groß oder nicht?!

Gute Frage. Wer – wie zunächst ich – den Hochpunkt vor allem zur Silbentrennung aus englischen Wörterbüchern kennt, findet wohl »Wall·e« am passendsten. Nach einem Strichpunkt schreibt man in der Regel klein weiter, also funktioniert diese Variante auch in der Hinsicht. Allerdings ist »Earth-Class« ein Hauptwort, das man zumindest im Deutschen groß schreibt.

Wer bei der Aussprache auf die englische Herkunft zurückgreift (was man bei der Bezeichnung wohl muss, um ihre »Vermenschlichung« zu transportieren), aber die deutschen Regeln zur Akronym- sowie Groß- und Kleinschreibung beachtet, landet bei »Wall·E«.

Und im Permalink?

Die richtige Schreibweise im Url3 erscheint dagegen wie eine Lapalie. Wer den Titel in einem Permalink verewigen möchte, hat wie immer das Problem, ein Sonderzeichen ersetzen zu müssen. Gültige Alternativen gibt es nicht viele. Ich halte »wall-e« mit Bindestrich und klein geschrieben für passend, weil der Hochpunkt zu prominent scheint (vor allem nach diesem Artikel) um seine Stelle einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Wer das nicht so sieht und den Bindestrich lieber als Platzhalter für etwaige Leerzeichen reserviert (z.B. »pixars-walle-auf-dvd«), kann auch mit »walle« nichts falsch machen.

Auf anregende (Gegen-)Gedanken freue ich mich in den Kommentaren.


  1. In Medien, die sich daran halten (z.B. wir), finden sich leider trotzdem Ausnahmen wie z.B. Pkw oder APA – vielleicht widme ich dem mal einen eigenen Artikel.
  2. Andererseits geht so, wie in der Wikipedia richtig vermerkt, die Information verloren, dass es sich um eine Abkürzung bzw. ein Kunstwort handelt. Ein Problem, das im Web durch die Einführung der Attribute abbr und acronym gelöst wurde: Die Abkürzung erscheint unterstrichen, ein »Mouse-over« offenbart die wahre Bedeutung. 
  3. Ups. Das schreibe ich normalerweise immer in Blockbuchstaben, aber ab jetzt muss ich mich zusammenreißen. Und da es sich um einen »Resource Uniform Locator« handelt, ist wohl die männliche Form angebracht.

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4 Kommentare

#1 von gernot am 25.9.2008, 11:07 Uhr

Zeitungsreifer (Qualitätszeitung!) amüsanter, informativer und toll geschriebener Artikel – da ist (bis jetzt) zumindest ein Journalist and dir verloren gegangen!

#2 von Benedikt am 29.9.2008, 10:20 Uhr

Oh, danke. Ist schon ein interessantes Thema, aber leider nix Tagesaktuelles – deshalb wird’s wohl nichts mit Journalist. Aber wenn’s mal den »Typographer Daily« gibt, bin ich mit Sicherheit dabei. 😉

#3 von Alexander am 30.9.2008, 0:04 Uhr

Wozu die ganze Aufregung?

Der versierte Anwender weiß doch, wie der »Mittelpunkt« 😉 zu erschaffen ist.
Windows: ALT gedrückt halten, auf dem Ziffernblock 250 eintippen, ALT loslassen.
Linux: bei gedrücktem ALT GR die Punkttaste antippen.

#4 von Benedikt am 30.9.2008, 9:50 Uhr

Nun ja, in erster Linie geht’s ja nicht darum wie man den Hochpunkt über die Tastatur eingibt, sondern wie man »Wall·E« überhaupt schreibt. Die Zeichen anschließend einzugeben ist dann nicht mehr die große Herausforderung. Trotzdem danke für den Tipp!

Am Mac schreibt man den Hochpunkt übrigens mit Shift+Option+9.

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