»Game of Thrones«: Warum »Die Glocken« (Staffel 8, Folge 5) großartig ist (Spoiler!)
Achtung Spoiler! Im Gegensatz zu meinen Filmkritiken beinhaltet diese Episodenbesprechung massiv Spoiler – auch für vorangegangene Staffeln und Folgen von »Game of Thrones«! Lies diese Kritik auf keinen Fall, wenn du diese Folge bzw. »Game of Thrones« noch nicht kennst.
Die letzte Staffel von »Game of Thrones« genießt unter Fans und in sozialen Medien nicht den besten Ruf: Zu schnell würde nun alles zu Ende gehen, die Auflösung vieler Handlungsstränge entspräche nicht den Erwartungen etc.
Ich zähle mich ja zu jenen »Game of Thrones«-Sehern, die nicht nur die actionlastigeren Episoden bevorzugen, sondern vor allem jene, in denen tatsächlich Dinge passieren und nicht nur darüber gesprochen wird (inbesondere Folge 2 dieser Staffel für mich ziemlich fürchterlich). Gerade deshalb fand ich Folge 5 (»Die Glocken«), die für viele einen neuen Tiefpunkt darstellt, aus folgenden Gründen sehr gut und geradezu erfrischend:
- Tyrion berichtet Daenerys vom beabsichtigten Verrat Varys’ vor einem riesigen Drachenschädel-Ornament – etwa ein Hinweis auf sein baldiges Schicksal? In der abschließenden Folge 6 werden wir es hoffentlich erfahren.
- Die Episode bedient sich eines gelungenen Tricks, indem die Möglichkeit einer Kapitulation von Königsmund (welches Daenerys’ Heer mittlerweile belagert) etabliert wird (durch das Läuten der namensgebenden Glocken) und der geneigte Fan schon fürchtet, »Game of Thrones« könnte kammerspielartig, etwa mit einem simplen Attentat auf Cersei, zu Ende gehen. Ob hier die Produzenten auch gezielt mit der Erwartungshaltung gespielt haben, indem sie die 55 Drehtage für »Die lange Nacht« zwar marketingtechnisch gut nutzten (man las überall davon), man aber über weitere Schlachten den Mantel des Schweigens hüllte, sei dahingestellt. Zum Glück entfaltet sich in dieser Episode jedenfalls langsam aber sicher der großartig inszenierte Untergang Königsmunds – nur, dass man als Zuschauer von den epischen Ausmaßen der Zerstörung zunächst nichts ahnt. Gerade dieser Umstand zeichnet diese Folge besonders aus.
- Die Sache mit den Drachen: Die »Skorpione« genannten, drachentötenden Geschütze konnten – zumindest upegradete Versionen davon – in Folge 4 zwar einen Drachen erledigen, scheinen in dieser Folge aber für Daenerys’ letzten Drachen Drogon kein Problem mehr darzustellen. Das Ableben von Rhaegal, Drache Nummer 2, sorgte bereits in der vorangegangenen Episode für Empörung, interpretiere ich aber als Glückstreffer in einem Überraschungsmoment. Hätte man das besser inszenieren können? Vielleicht. Eventuell hätte ein einfacher Kniff genügt, indem man den hinter Drachenstein versteckten Teil der Eisernen Flotte einfach in einem Kreis ausrichtet (um dem Argument des »einfach herumfliegen« entgegenzuwirken). Dass die Geschütze Drogon nicht einmal einen Kratzer zufügen können, scheint zwar gar etwas glücklich. Die mangelnde Flexibilität der »Skorpione« samt ihres unhandlichen und langwierigen Ladevorgangs als entscheidende Schwäche werden hingegen ausreichend dargestellt.
- Ebenfalls gelungen ist die Steigerung der Intensität der Action. Denn während bereits nach wenigen Minuten alles auf einen schnellen Sieg für Jon Schnee und Daenerys hindeutet, werden wir unmittelbar nach dem Läuten der Glocken und der damit signalisierten Kapitulation Königsmunds eines Besseren belehrt: Daenerys’ Durst nach Rache ist unstillbar, ihre Wut auf Cersei zu groß und sie beginnt die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Dabei gut gemacht: Vermutet man zunächst »nur« die Streitkräfte Königsmunds im Visier Daenerys‘, stellt sich bald heraus, dass sie die komplette Vernichtung der Stadt inklusive ihrer Bewohner im Sinn hat.
- Der Anführer ihrer Bodentruppen, Grauer Wurm, lässt seinen Emotionen nach der Hinrichtung Missandeis (Folge 4) ebenfalls freien Lauf und beginnt mit seiner Armee der Unbefleckten mit der Abschlachtung der übriggebliebenen Soldaten Königsmunds, die kurz zuvor noch ihre Schwerter als Zeichen der Kapitulation zu Boden geworfen haben. Inszeniert ist dieser Teil auch wesentlich brutaler als der initiale Angriff auf die Stadt1: Abgetrennte Körperteile, jede Menge Blut und Geschrei signalisieren hier, dass die über viele Staffeln als (zumindest mehr oder weniger) »gut« etablierte Daenerys samt ihrer Armee eben doch keine gerechte Herrscherin über Westeros sein wird – »Game of Thrones« in Reinkultur.
- Dabei rat- aber nicht unbedingt hilflos zwischen den Fronten: Jon Schnee, der einsieht, mit dem Verzicht auf den Thron einen schweren Fehler begangen zu haben und nun einerseits versucht sein eigenes Heer im Zaum zu halten und andererseits gegen die Stadtverteidigung zu kämpfen, die nach der gescheiterten Kapitulation mit letzter Kraft die Angreifer abwehrt. Eine wichtige Wandlung, welche die Weichen für den Showdown in Folge 6 stellt.
- Auch abseits der Schlacht passiert viel: So versuchen Sandor und Arya unbemerkt zum Roten Bergfried vorzudringen um jeweils offene Rechnungen zu begleichen, was uns den von vielen Fans lang ersehnten und gut gemachten »Cleganebowl« beschert (Der Hund darf endlich gegen seinen Bruder, den Berg, antreten, der einfach nicht umzubringen zu sein scheint) – und als Auslöser für gleich mehrere Protagonistenabgänge dient.
- Arya kommt hingegen nicht soweit und versucht aus der Flammenhölle der Stadt zu entkommen. Ebenfalls sehr gut gemacht, mit teilweise langen Einstellungen ohne Schnitt, in denen Arya die explodierende Stadt um die Ohren fliegt und wo dem Zuschauer zudem der Blickwinkel auf die leidende Zivilbevölkerung eröffnet wird. Dass einen dann das Schicksal von nur in dieser Folge vorkommenden Nebencharakteren mehr mitnimmt, als jenes langjähriger Protagonisten kann man zwar kritisieren, tut der Qualität dieser Sequenzen aber keinen Abbruch.
- Zu guter Letzt versucht auch noch Jaime zu Cersei zu gelangen und muss sich dabei ein brutales Duell mit Euron Greyjoy, dessen Eiserne Flotte zuvor von Daenerys komplett vernichtet wurde, liefern. Eurons Abgang hat mit seinen letzten Worten fast schon komische Züge, passt aber zur Überheblichkeit seines Charakters.
- Dass Jaime und Cersei einfach vom einstürzenden Roten Bergfried begraben werden, stößt Fans sauer auf. Die Szene ist aber insofern gut getaktet, dass man als Zuschauer gerade Zeit genug hat, um zu rekapitulieren und sich zu fragen, ob man die beiden nun bemitleiden soll oder nicht. Ich schließe zudem nicht aus, dass das gar nicht das Ende von Cersei und/oder Jaime ist (alte Hollywood-Regel: Ohne Leichnam kein Toter). Sollten beide aber tatsächlich tot sein, entbehrt ihr Ende immerhin nicht einer gewissen Ironie: Jaime hat in der Pilotfolge Bran aus einem Turm gestürzt, nun werden er und Cersei von einem eben solchen begraben.
- Das Ende der Folge bildet die Bühne für den finalen Showdown, bei dem sich nun einst Verbündete als erbitterte Rivalen gegenüberstehen: Jon Schnee und Arya Stark gegen Daenryis und Grauer Wurm. Und irgendwo dazwischen: Tyrion.
Alles in allem eine sehr gelungene Folge, in der endlich wieder viel passiert, die ein interessantes Setup für die nachfolgende Episode schafft und genug Charaktere für einen spannenden Showdown am Leben lässt.
- Bei dem sich übrigens die zur Verteidigung eingesetzte »Goldene Kompanie« ein unnötiges Handicap verschafft, indem auch sie – wie die Unbefleckten in Winterfell (Folge 3) – vor dem Stadttor auf den Feind wartet. Mauern scheinen in Westeros eines der am missverstandensten Bauwerke zu sein. ↩
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