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So habe ich Twitter gezähmt

22.5.2019·Kommentare:  0Retweets:  1 4

Seit ich 2006 mein Twitter-Konto eröffnet habe, habe ich mir nie groß Gedanken über die korrekte (bzw. psychologisch gesunde) Nutzung des Kurznachrichtendienstes gemacht. Ein spannender Retweet hier, ein interessanter neuer Account da, ließ im Lauf der Jahre die Zahl jener Accounts, denen ich bis vor kurzem gefolgt bin, auf über 700 anwachsen.

Auf den ersten Blick kein Problem, weil diese Summe die Nutzung von Twitter nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil, die Timeline ist immer gut gefüllt, nichts wiederholt sich und man ist socialmedia-technisch immer über alle Geschehnisse informiert.

Aber dieser Schein trügt.

Twitters Grundproblem

Im Lauf der Jahre habe ich nämlich begonnen, viele Tweets nur mehr als nervig und ermüdend wahrzunehmen. Was früher eine, wenn man so will, interessante RSS-Alternative war, verkam mit jedem neu gefolgtem Konto langsam aber sicher zu einer Geschwafel- und Empörungsstelle für eigentlich eh alles: »Darf Produkt X heutzutage noch sein heißen?!«, »Verpackungsskandal im Supermarkt!«, »Es ist zu heiß!«, »Es ist zu kalt!« etc. Wie bei einem Frosch im immer wärmer werdenen Kochtopf, fiel mir das aber sehr lange nicht auf. Nur das Gefühl des Unwohlseins, dieser »Mikrostress« beim Durchscrollen und Lesen der Tweets wurde immer stärker.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht grundsätzlich gegen solche Diskussionen und finde manche von ihnen durchaus relevant. Aber ich will und kann mich nicht ständig damit auseinandersetzen.

Jeder zieht einen anderen Nutzen aus Twitter und für mich war die Vision dieser Plattform eben nie ein gesellschaftspolitischer Chatroom, ein lärmender ADHS-Simulator oder öffentlicher SMS-Verlauf diverser Twitter-Celebrities, zu dem sie für mich irgendwann geworden ist – zu einer unzähmbaren Bestie eben.

Lösungsansätze

Die gute Nachricht: Das muss nicht so sein. Klar könnte man mir als Erstes vorwerfen, dass ich an dieser Misere selbst schuld bin – was folge ich auch all diesen Accounts? Ein berechtigter Einwand und folglich war meine erste Gegenmaßnahme auch das massive Entfolgen von Twitter-Konten. Mein Ziel war es auf unter 100 zu kommen und die entfolgten Accounts für später einfach in Listen einzuordnen. Freilich entspricht das genau jenem Vorgang, Ramsch in Kisten aufzuheben, in die man dann nie wieder hineinschaut. Genau das ist auch eingetreten, denn ich nutze die Listen nicht.

Wem folge ich noch?

Natürlich kann jeder seine eigene Strategie dafür entwickeln, welche Tweets sie oder er auf Twitter noch sehen möchte. Ich habe mich einerseits auf jene Konten beschränkt, die mich fachlich interessieren und andererseits auf jene, die mir auch folgen (hauptsächlich Freunde und Kollegen). Für Sonderfälle, also Accounts die mir zwar folgen, deren Tweets ich aber nicht ständig lesen muss, gibt es zudem noch die praktische Mute-Funktion.

Entfolgen allein hilft nur wenig

Trotzdem stellt man schnell fest: Das Entfolgen von Accounts löst das Problem nicht. Es dauert nämlich nicht lange, da tauchen genau jene Tweets, von denen man eigentlich genug hat, wieder in der Timeline auf. Konkret habe ich 5 Möglichkeiten ausgemacht, wie sich Tweets von fremden Personen wieder in die eigene Timeline schummeln können:

  1. Gesponsort
  2. <User> hat retweetet:
  3. <User> gefällt das:
  4. <User> hat geantwortet:
  5. <User> und <Anzahl> weitere folgen:

Wobei ich mir die Option »Gesponsort« als Geschäftsmodell noch einreden lasse. Von anderen Usern ausgelöste »Timeline-Injections« hingegen nicht. <User> ist in dem Fall ein »übriggebliebenes« Konto, dem man zwar weiterhin folgt, das aber Inhalte anderer (bewusst entfolgter) Konten durch liken, retweeten etc. weiterverbreitet. Und derart ausmisten kann man gar nicht, dass keine unerwünschten Tweets mehr auftauchen. Es gibt freilich noch die Möglichkeit, Retweets auf Benutzerkonto-Basis zu deaktivieren. Das ist aber erstens mühsam und hilft zweitens nichts gegen die restlichen 3 Möglichkeiten. Bis zu diesem Punkt habe ich diesen Artikel in Gedanken folglich auch als »Warum sich Twitter nicht zähmen lässt« gesponnen, dabei aber einen wesentlichen Punkt übersehen:

Alternative Twitter-Clients

Niemand zwingt einen nämlich, die offizielle Twitter-App zu nutzen. Diese inkludiert zwecks Monetarisierung nicht nur die (akzeptablen) gesponsorten Tweets, sondern auch besagte <User>-hat/folgt/gefällt/etc.-Tweets in der Timeline (die noch dazu nicht chronologisch, sondern für Engagement »optimiert« sortiert ist). Hier habe ich mich an frühere App-Käufe wie TweetBot erinnert und testhalber wieder aktiviert. 3rd-Party-Clients haben zwar theoretisch den Nachteil, dass ihnen nicht das gleiche Featureset wie Twitters eigener App zur Verfügung steht (Cards, Umfragen, Realtime-Stream, Notifications etc.) – was aus diesem Blickwinkel aber sogar ein Vorteil ist.

Denn beispielsweise ist TweetBot mit chronologischer Timeline, deaktiverten Echtnamen neben dem Twitter-Handle im Sepia/Rot-Theme (In-App-Spende erforderlich) ein wahrer Segen. Neben viel weniger Bildern (nur mehr die direkt auf Twitter hochgeladenen werden angezeigt) und auch sonst aufs Wesentliche reduziert, fällt einem dann auch noch etwas anderes auf: Dieses Gefühl von früher, das man eigentlich schon vergessen hat; nämlich, wie es ist, alle neuen Tweets gelesen zu haben (chronologische Timeline ohne nervige Injections sei Dank) – wann hattet ihr dieses Gefühl das letzte Mal bei Twitter?


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