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Buchkritik: »Der neunte Arm des Oktopus« – Message top, Story Flop

2 / 5Sterne·30.1.2024·Kommentare:  0

»Der neunte Arm des Oktopus« ist ein Klimathriller von Dirk Roßmann (früher hätte man wohl Ökothriller gesagt), der 2020 erschienen ist. Und ja, das ist der Dirk Roßmann der gleichnamigen Drogeriekette.

Jetzt finde ich Klimathriller nicht unspannend, darauf gekommen bin ich aber eigentlich über Werbung im Radio. Konkret Klassik Radio, wo die dramatisch von Daniel-Craig-Synchronsprecher Dietmar Wunder eingesprochene Werbung für den bereits dritten Teil (»Das dritte Herz des Oktopus«, erschienen 2023) in Dauerrotation läuft. Da mein Audible-Abo aufgrund meiner nur phasenweisen Nutzung meist ohnehin nur an der Lebenserhaltung hängt (irgendwann werde ich kündigen, ganz sicher …), hab ich mir einen Ruck und dem ersten Teil eine Chance gegeben.

Nach meinen letzten Hörbuch-Kritiken, hatte ich ja schon ein die Befürchtung, dass mir wohl einfach alles gefällt, solange es nur jemand vorliest 😆. »Der neunte Arm des Oktopus« war in der Hinsicht eine längst überfällige und fast schon wohltuende Kalibration meiner Wahrnehmung. Denn so wirklich gefallen hat mir die Story nicht.

Handlungswirrwarr

Sofern man überhaupt von einer Story sprechen kann, denn »Der neunte Arm des Oktopus« besteht aus einer Unmenge an höchstens lose zusammenhängender Geschichten, die noch dazu in verschiedenen Zeitebenen spielen. Das kann man sich ungefähr so vorstellen: Während eine Exptert:innen-Gruppe im Jahr 2100 in Paris über die Klima-Verfehlungen der Menschheit in unserer Gegenwart diskutiert, werden die Schicksale einiger ihrer Vorfahren in wieder eigenen Sub-Geschichten (z.B. über eine Flut in Indien) angerissen. Die Rahmenhandlung ist wiederum eine ganz andere und die eigentliche Story hat zu allem Überfluss weder mit der Story in der Zukunft, noch mit der Rahmenhandlung etwas zu tun. Da soll einer schlau draus werden. 🤷‍♂️

Apropos Rahmenhandlung: Parallel dazu (also der Story in Paris mit den Expert:innen) wird eine Utopie kreiert, wie sich in unserer Gegenwart Staatschef:innen zusammenraufen und spürbare bis (unvermeidbar) krasse Schritte setzen, um die Welt doch noch vor dem Untergang zu retten. Dies aber eben als Rahmenhandlung, denn eigentlich liegt der Fokus auf der Verschwörung einiger Gruppen, die dabei nicht mitmachen wollen. Und das wiederum manifestiert sich in einer (sehr) kleinen Geschichte um zwei Vertreter dieser Abtrünnigen, die gemeinsam mit einem Waffenhändler den Konflikt bewusst eskalieren lassen wollen. Mittendrin übrigens noch ein Koch und eine Beamtin, die dabei in die Schusslinie geraten.

Keine kohärente Story

Gerade Letzteres mag nicht unspannend klingen. Allerdings nimmt dieser Story-Teil gerade einmal schätzungsweise 45 Minuten in Anspruch – bei einer Gesamtlaufzeit von 9 Stunden und 19 Minuten. Der Rest entfällt auf die zuvor erwähnten anderen Stränge und jede Menge erzählerisches Beiwerk, das eine kohärente Story verhindert. So gibt es z.B. eine Nebenstory über eine Krankenschwester in Afrika, die zwar sozialpolitisch nicht uninteressant ist, aber mit der Handlung nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun hat. Dazu kommen viele detaillierte Beschreibungen (wie z.B. ein Aufforstungsprojekt oder eine einleitende Geschichte wie als ausgerottet geglaubte Krankheiten zurückkehren), die für sich genommen zwar interessant sind, aber so abgekapselt in die Erzählung integriert sind, dass jegliche Spannung oder Faszination flöten geht.

Überhaupt nervt die überdetaillierte Beschreibung jedes noch so unwichtigen Gegenstands (angefangen von der exakten Produktbezeichnung, der Beschaffenheit, dessen Hersteller etc.) und wirkt eigentlich wie ein Anfängerfehler, um irgendwie Atmosphäre zu erzeugen.

Eine Kontroverse gab’s um »Der neunte Arm des Oktopus« ebenfalls: Während der Roman Fiktion ist, bedient er sich einiger historischer Figuren, bei denen eine Wahl – gelinde gesagt – nicht besonders gut gealtert ist (strenggenommen enthält der Link einen Spoiler, der aber nichts von der eigentlichen Handlung vorwegnimmt).

Fazit

Es tut mir fast weh, ein solches Urteil zu fällen, weil die Message top ist und die Idee nicht so schlecht: Das Problem des Klimawandels, verarbeitet in einem Thriller mit allerlei Fakten und, wenn man so will, visionären Lösungsansätzen. Als Story taugt das aber alles nicht wirklich, ist über weite Strecken fad und produziert vor allem keine Charaktere mit denen man mitfiebern kann.

Oder zum besseren Vergleich: Ja, man kann beispielsweise eine Geschichte über die Landung auf dem Mars erzählen, indem man penibel über beteiligte Staaten, Einrichtungen, Herausforderungen und Forschungsprojekte schreibt. Vielleicht sogar garniert mit Sabotageabsichten irgendeiner Untergrundbewegung? Oder aber man schreibt ein Buch wie »Der Marsianer«. »Der neunte Arm des Oktopus« ist definitiv Ersteres.

Message top, Story Flop ★★☆☆☆


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Der neunte Arm des Oktopus