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»Indiana Jones und das Rad des Schick­sals« – Filmkritik: Schlechter als Teil 4?

Spoilerfrei·2.5 / 5Sterne·7.7.2023·Kommentare:  0

Die Kritiken zum neuen Teil sind bestenfalls durchwachsen, im Kino gilt er bereits jetzt als Flop. Aus zwei Gründen hegte ich aber Hoffnung: Ein IMDb-Rating von 6,9 kann darauf hindeuten, dass der Film bestimmten Zielgruppen sogar außerordentlich gut gefällt. Und Regisseur James Mangold, der 2019 mit »Le Mans 66 – Gegen jede Chance« (Filmkritik) einen fast perfekten Überraschungshit abgeliefert hat.

Leider, leider haben sich beide Hoffnungen nicht bestätigt und obwohl meine Akzeptanzgrenze bei liebgewonnen Franchsises gar nicht so hoch ist, holt mich dieser Indy-Teil so gar nicht ab. Schlimmer noch: Der Rückblick auf Indys (vermutlich) letzte Auseinandersetzung mit den Nazis zu Beginn des Films, mit massiven (aber durchaus guten) digitalen Verjüngungseffekten (De-aging), ist da fast noch das Beste. Vielleicht hätte man lieber gleich daraus einen ganzen Film machen sollen.

Doch warum ist das so? Das »Rad des Schicksals« (in einem noch nie dagewesenen Anfall von Vernunft nach dem 1. Trailer vom unglücklichen »Ruf des …« doch noch in »Rad des …« umbenannt) versucht nämlich visuell gefühlt in jeder zweiten Einstellung entweder »Jäger des verlorenen Schatzes« oder den »Letzten Kreuzzug« zu zitieren und das Flair insbesondere dieser beiden Filme einzufangen.

Aber es klappt einfach nicht. Beginnen wir mal beim Hauptcharakter. Der ist natürlich alt geworden. Sehr alt. Daraus kann man jetzt was machen oder nicht. Die Drehbuchautor:innen haben sich für »weder noch« entschieden. Da wird schon halb versucht, Indy als grantelten Opa darzustellen, das Potenzial für Humor dann aber nicht ausgeschöpft. Apropos, der Humor kommt hier überhaupt viel zu kurz. Nur in der Anfangssequenz gab es tatsächlich eine Stelle, an der ich laut auflachen musste, weil diese wirklich den Spirit von Teil 1 und 3 eingefangen hat.

Bei Indiana Jones immer schwierig, in den ersten drei Teilen aber perfekt gemeistert: Der schmale Grat zwischen Abenteuerfilm, thrillender Action und damit einhergehender Gewalt. Den findet Indy 5 nämlich nicht, denn wenn hier Personen ins Jenseits befördert werden, ist das aufgrund der Kaltblütigkeit einfach nur weird. Auch andere Details, die wir hier über Indys Vergangenheit erfahren, sollen zwar Tiefe erzeugen, muten aber unpassend schwermütig an.

Auch die meisten Action-Sequenzen sind halt … einfach nur da. Zwar vollgestopft mit Effekten, aber ohne witzigen Ideen und einfach nicht erinnerungswürdig (erschreckend dabei: der Film soll um die 300 Mio. Dollar gekostet haben). Da fehlt es immer am Kniff, dem Humor oder schlicht der Skurrilität, die die Action in den ersten Teilen ausgezeichnet hat. Sequenzen vom Schlag einer Fahrzeugkolonne in Teil 1, des überholenden Flugzeugs im Tunnel oder des Panzer-Periskops in Teil 3 findet man hier nicht. Auch die Setups für absurde Aktionen waren schon kreativer (man erinnere sich an die Motorboothatz in Venedig in Teil 3: »Are you crazy? Don’t go in between them!« – »Go between them, are you crazy?!«) und von Comic-Relief (»I liked the Austrian way better.«, ebenfalls Teil 3) fangen wir gar nicht erst an. Und, ach ja: Es gibt keinen einzigen Moment, indem Indy zur berühmten Fanfare in einem Kampf die Oberhand gewinnt.

Ist hier den Kreativen das Projekt über den Kopf gewachsen, liegt es einzig und allein am Drehbuch? Ich weiß es nicht, aber bei dem mit 2 Stunden und 35 Minuten aktuell längsten Indiana-Jones-Teil wäre weniger, dafür origineller, auf jeden Fall mehr gewesen.

Man hätte z.B. den gealterten Abenteuer-Archäologen interessanter schreiben können (hier weder Fisch noch Fleisch), viele der ohnehin unoriginellen Sequenzen kürzen oder gleich ganz weglassen sollen. Als konkretes Beispiel sei hier die Storyline mit Antonio Banderas genannt (Spoiler-Alarm, bei Bedarf überspringen):

Indy entdeckt vor dem Tauchgang Aale im Wasser. Nach einer kurzen Diskussion über die Gefährlichkeit beginnt der Tauchgang und die Aale sind zwar da und nerven auch ein bisschen, sind aber kein wirkliches Problem. Das ist eine derart fad und einfallslos geschriebene Sequenz, dass selbst mir nach 5 Minuten überlegen etwas Originelleres, Spannenderes einfällt: Gesucht wird hier ja der zweite Teil des besagten Rads des Schicksals, ein Artefakt, das Risse in der Zeit erzeugen kann. Wäre es da nicht eine Idee gewesen durch so einen Riss, der beim Sinken der Galeere entstanden sein könnte, einen Mega-Aal aus längst vergangenen Zeiten dort herumlungern zu lassen? Also eine echte Bedrohung und echte Überraschung für den Zuschauer, vielleicht mit Schockeffekt und echter Action im Anschluss, bei der es auch um was geht? So wirkt diese Sequenz derart lustlos inszeniert, dass man sie auch gleich ganz hätte weglassen können.

[Spoiler Ende]

Und man wäre dann konsequenterweise irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass dieser ganze zwanghafte Versuch, den Teil 1969 spielen und dabei eine Truppe Nazis einem Artefakt hinterherjagen zu lassen, nur um an die Atmosphäre alter Teile anknüpfen zu können, viel zu kompliziert ist. Dann nämlich lieber gleich – ohne zu spoilern – das De-aging den ganzen Film über einsetzen und die ersten 20 Minuten direkt mit den den letzten 20 Minuten verzahnen und daraus eine Story stricken – da hätte man einen kurzweiligen Aufhänger gehabt.

Wie gesagt, die ersten 20 Minuten muten wegen der De-aging-Technologie vielleicht etwas seltsam an, aber, je länger der Film geht, desto mehr wünscht man sich in einen Indiana-Jones-Teil in nur diesem Setting. Vielleicht erbarmt sich ja ein Kreativer einmal und bereitet dieser Serie (wie so vielen mit einem desaströsen 5. Teil – Rocky V, Star Trek V, Stirb Langsam 5) einen wirklich würdigen Abschluss der Reihe (was mit Rocky VI und Star Trek VI z.B. auch geglückt ist).

So erreicht »Indiana Jones und das Rad des Schicksals« über weite Strecken bestenfalls durchschnittliches Niveau, bei dem aber weder der Indiana-Jones-Teil, noch der Abenteuer-Teil wirklich funktionieren. Somit für viele vermutlich noch enttäuschender als das »Königreich des Kristallschädels« – außer – und ich wiederhole mich hier gerne – man sieht nur die ersten 20 Minuten. 😉

★★½☆☆


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