Kritik: »Dune« (2021)
Spoilerfrei··11.10.2021· 21 0 1
Nach einem gescheiterten Versuch von Alejandro Jodorowsky 1975, David Lynchs umstrittener Kinoversion 1984 und einer mehrteiligen TV-Adaption 2000 will es Denis Villeneuve 2021 erneut wissen: Lässt sich Frank Herberts 1965 erschienenes und jahrzehntelang als unverfilmbar geltendes »Dune« (»Der Wüstenplanet«) mit moderner Filmtechnik und einem üppigen Budget von 165 Mio. Euro angemessen auf die Leinwand bringen?
Dass man dabei nur einen Teil des ersten Bandes zu sehen bekommt, wird gleich zu Beginn klar: »Part One« prangt da in kleinen Lettern unterm Titel. Da muten die 2 Stunden 35 Minuten sowohl für Kenner des Buches, als auch für jene der David-Lynch-Verfilmung gleich wie eine noch größere Herausforderung an.
Hinweis: Wie üblich enthält der Hauptteil dieser Kritik keine Spoiler. Ich führe unten aber Spoiler beinhaltende Beispiele für meine Kritik an. Es gibt eine entsprechende Vorwarnung im Text und die Möglichkeit, die Spoiler komplett zu überspringen.
Ein guter Start …
Doch der Reihe nach, denn eigentlich startet die Neuverfilmung von »Dune« gar nicht so schlecht. Da wirkt Villeneuves große Stärke, sein unglaubliches cineastisches Gespür, noch eindrucksvoll auf den Zuschauer: Epische Bilder von Arrakis und Caladan erläutern die Ausgangslage der indigenen Fremen sowie der Häuser Harkonnen und Atreides. In diesen ersten Minuten erfüllt auch Hans Zimmers altbekannter »Geräusche-Soundtrack« noch seinen Zweck und komplettiert den Eindruck eines rundum gelungenen Sci-Fi-Epos’.
… weicht Langatmigkeit
Schon nach 20 bis 30 Minuten ahnt man aber bereits, dass auch diese »Dune«-Version keine Wunder vollbringen wird. Denn trotz Villeneuves eindrucksvollen Bildern lässt der Regisseur wie einst auch beim gefloppten »Blade Runner 2049« jegliches Gespür für Tempo vermissen. Die sich einschleichende Langatmigkeit ist aber nur ein Problem. Ein weiteres ist das Liegenlassen so manchen Action-Potenzials, was der Kurzweil ja durchaus zuträglich gewesen wäre. Sich anbahnende große Schlachtszenen werden allenfalls angedeutet, prominent eingeführte Charaktere haben ihren großen Auftritt in einer Totalen ins Dunkel stürmend während sich Hans Zimmers Lärm-Spur – mit durchaus gelungenem – Einsatz von Dudelsäcken seinem einzigen kleinen Höhepunkt entgegenquält.
Eher ein Stück für die Bühne?
Es sind Szenen wie diese, die einen wünschen lassen, Peter Jackson hätte sich tatsächlich an einer Verfilmung versucht und da vielleicht mehr rausgeholt. Denn während viele der Dialogszenen aufgrund der absurd großen Sets in den Detailaufnahmen eher abstrakten Charakter haben (viel mehr als ins Dunkel verlaufende Fliesen sieht man oft nicht) und auf einer Theaterbühne besser aufgehoben wären, sollten große Actionszenen diesen Eindruck lieber nicht vermitteln. Viele meinen ja, gerade »Dune« verlangt nach der größtmöglichen Leinwand, ich behaupte hingegen, dass eine Inszenierung wie die aktuelle auch im Burgtheater hätte stattfinden können.
Nicht schlecht …
Natürlich ist »Dune« kein schlechter Film, aber auch hier werden sich wie einst bei »Blade Runner 2049« die Geister scheiden: Während ihn die einen als cineastisches Meisterwerk feiern, werden die anderen Langatmigkeit attestieren. Und wenn es eine Regel gibt, dann doch diese, dass eine Geschichte nicht langweilig sein darf. Oder anders formuliert: Wofür sowohl David Lynchs »Dune« (1984) also auch die TV-Miniserie aus dem Jahr 2000 rund 100 Minuten brauchten, nimmt sich Villeneuve 2021 knapp 150 Minuten Zeit (ich ziehe hier bereits den Abspann ab).
… aber eben etwas fad
Natürlich ist »Dune« somit kein besonders kurzweiliger Film. Er mag im Großen und Ganzen als gelungene Adaption der Romanvorlage durchgehen und ja, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ein kurzweiligeres »Dune« bereits verfilmt wurde: Nämlich direkt fürs Kino geschrieben, mit Dschungel- statt Wüstenplanet samt Action und Sprüchen en masse und somit alles, was wir an Hollywood lieben (und hassen) – nämlich »Avatar«. »Dune« muss (und sollte) auch nicht so sein, hier aber ein paar Beispiele, die »Dune« ein bisschen mehr dringend benötigten Pep verliehen hätten (Spoiler voraus, sonst einfach überspringen):
Spoiler: So inszeniert man (nicht) fürs Kino
Wie angekündigt folgen hier zu Demonstrationszwecken einige kleine bis mittelgroße Spoiler, bitte bei Bedarf einfach nach unten springen.
- Mit Verlaub, einen großflächigen Überraschungsangriff einer ganzen Flotte inszeniert man nicht, indem man ihn schon etliche Filmminuten vorher minutiös ankündigt und dann linear runterspult (und großteils gar nur andeutet). Das ist fad. Man gibt den Atreides natürlich eine Chance, lässt sie Arrakis aufbauen und absichern, einen Angriff erahnen, vorbereitet sein. Und dann folgt die überraschende Wendung, wie die Harkonnen trotzdem aus dem Nichts erschienen, wie sie das Unmögliche schaffen. Das ist dann halt Kino und keine schnödes »naja, im Buch auf Seite X bis Y steht das halt so«.
- Kommen wir zum Soundtrack: Ich weiß, dass Hans Zimmer noch immer großartige Soundtracks schreiben kann und schreibt. Und isoliert vom Film gehört, mögen die Geschmäcker bezüglich Filmmusik verschieden sein (die hohen Play-Counts diverser Batman-Trilogy-Tracks, als auch von »Dune« irritieren mich trotzdem). Aber hört bitte auf, diese zudröhnenden Lärm-Tracks bei ihm zu bestellen, nur weil der Film halt irgendwie dystopisch sein soll. Es gäbe ja in »Dune« auch Lichtblicke in Form des Tracks »Armada«, wo ab 2:15 durch Einsatz von Dudelsäcken für ungefähr 20 Sekunden kurz Glanz und Glorie Einzug halten und eine Idee davon vermitteln, wie dieser Film hätte sein können.
- Was uns gleich zur Charakterentwicklung bringt: Man engagiert nicht Josh Brolin (hart und abgebrüht als Thanos, Cable und Elite-Feuerwehrmann Eric Marsh) und lässt ihn ungefähr 10 Sekunden gegen die heranstürmenden Harkonnen-Truppen kämpfen und ihn dann einfach ins Dunkel laufend abtreten. Gebt seinem Charakter ein würdiges Ende, lasst ihn eine coole Aktion abliefern, die genug Zeit rausholt, damit den Atreides bei der aussichtslosen Verteidigung doch noch was gelingt. Gleiches gilt für Jason Momoas Duncan Idaho, der während des Angriffs geografisch vollkommen zusammenhanglos durch Korridore irrt und ein paar Sardaukar erledigt. Actiontechnisch sicher eine der cooleren Sequenzen, zugegeben, aber irgendeinen Spannungsbogen stärkenden Zusammenhang mit den restlichen Abläufen gibt es halt nicht.
Aber gut, ich hör schon auf, bevor ich noch den ganzen Film umschreibe und Frank Herbert im Grab rotiert …
[Spoiler Ende]
Fazit
Ich gebe zu, dass ich aus »Dune« zuversichtlicher und besser unterhalten rausgegangen bin, als es diese Kritik vermuten ließe. Das liegt daran, dass je mehr der Film nachgewirkt hat und ich darüber sinniert habe, sich umso größere Enttäuschung breit gemacht hat. Vermutlich ist vieles davon auch der Überlegung geschuldet, auf welche Szenen ich mich freuen würde, sollte ich mir den Film noch einmal zu Gemüte führen: Auch nach längerem Nachdenken ist mir da nämlich keine eingefallen … stopp, doch: die ergreifenden 20 Sekunden Dudelsack-Untermalung.
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katastrophal schlechter film! wahnsinnig peinlich für den regisseur!
Naja, als »katastrophal schlecht« würde ich ich diese Dune-Version jetzt nicht unbedingt bezeichnen. Da gibt es mit Verfilmungen wie Eragon (2006) schon »würdigere« Vertreter, die dieses Prädikat verdienen. 😉
Diese Verfilmung mag tatsächlich nicht jedermanns Geschmack treffen, aber im Vergleich zu oben genannten Beispiel ist das schon fast Jammern auf hohem Niveau. Vielleicht behebt ja die mittlerweile bestätigte Fortsetzung einige der oben genannten Mängel.
dass regisseur denis villeneuve es wesentlich besser kann, hat er ja mit »blade runner 2049« eindrücklich gezeigt. ich wünschte wirklich, es gäbe keine fortsetzung zu »dune«. denn das kann nur in die hose gehen…
Das ist spannend, denn »Blade Runner 2049« hat mich auch nicht sonderlich begeistert. Wobei ich meine, dass bei dem Film die Meinungen wirklich gespalten waren, wohingegen »Dune« überwiegend positiv aufgenommen wurde (zumindest meiner Wahrnehmung nach).
Als Villeneuves »Dune« angekündigt wurde, hat mich das sogar gewundert, weil die »Blade Runner«-Fortsetzung ein finanzieller Flop war. Dann nimmt ein Studio aber erneut 150+ Mio. in die Hand, um erneut nischigen und in den 80ern bereits gefloppten Sci-Fi-Stoff zu verfilmen und das erneut von Denis Villeneuve – das war für mich schon ein vorhersagbarer Flop. Nichtsdestotrotz dürfte sich der Nachfolger bei »Dune« jetzt irgendwie rechnen – ich bin gespannt.