Test: Earin »M-1« – Fast perfekte kabellose Bluetooth-Ohrhörer
Update: Earin hat mit den »M-2« ein vielversprechendes Nachfolgemodell für 2017 angekündigt.
Im Juli 2014 startete das schwedische Start-up Earin mit seiner Vision von komplett kabellosen (auch bekannt als »true wireless«) Ohrhörern auf Kickstarter. Ein Konzept, das von traditionellen Herstellern bisher geschmäht, von Bluetooth-Fans aber schon lang ersehnt wurde und mich folglich sofort als Unterstützer gewann. Im November 2015 war es schließlich so weit und ich konnte meine – damals einfach noch »Earin« genannten – kabellosen Ohrhörer endlich in den Händen halten – und war begeistert. Mittlerweile hat sich einiges geändert: Die Ohrhörer heißen nun offiziell »M-1« (Nachfolger in Arbeit? Update: Ja, die »M-2«.), der Preis wurde auf 199 Euro gesenkt, die Ladekapsel gibt es nun wahlweise auch in schwarz und ich hatte meinen ersten Supportfall. Eines ist nach all der Zeit aber gleich geblieben: meine Begeisterung.
Auf einen Blick
- + Komplett kabellos
- + Klein und leicht
- + Toller Klang
- + Komfortabler Sitz
- + Stabile Smartphone-Verbindung
- + Ladekapsel passt in Hosentasche
- + Ladekapsel einteilig
- + Exzellenter Kundenservice
- – Rechter Hörer setzt manchmal aus
- – Latenz für Video zu hoch
Startschuss auf Kickstarter
Das schwedische Start-up Earin war mit seinen komplett kabellosen Ohrhörern zwar nicht das erste dieser Art auf der Crowdfunding-Plattform, aber das erste, das sein Produkt erfolgreich an seine Unterstützer ausliefern konnte.
Ganz ohne Kabel
Was zeichnet diese Bluetooth-Ohrhörer aus und was unterscheidet sie von meiner bisherigen Referenz, den Jaybird »BlueBuds X« (bzw. »X2«)? Im Prinzip nur ein einziges, aber wichtiges Feature: Die Earin »M-1« sind komplett kabellos, sprich der linke und rechte Hörer sind nicht, wie bisher bei Bluetooth-In-Ears üblich, durch ein Kabel miteinander verbunden – eine Tatsache, die den Tragekomfort von In-Ears neu definiert. Und offenbar ein so komplexes Problem, dass es bis Mitte 2016 kein etablierter Hersteller fertig brachte, so ein Produkt zu veröffentlichen – erst jetzt scheinen sich große Namen wie Apple (AirPods) oder Samsung (Gear IconX) an solche Projekte zu wagen.
Verpackung und Inhalt
Die »M-1« werden in einer zunächst schlicht anmutenden Verpackung geliefert. Es sieht so aus, als hätte Earin aus der Not eine Tugend gemacht und eine zweckmäßige, schuhkartonähnliche Schachtel entworfen, um – für ein Start-up verständlich – Kosten zu sparen. Nimmt man die Schachtel in die Hand, fühlt sich diese aber doch wesentlich nobler und wertiger als erwartet an: Die obere Hälfte (der Deckel) haftet magnetisch auf der unteren, nimmt man den Deckel ab, stellt man fest, dass die Schachtel eigentlich ein Block aus mehreren Schichten solidem Karton ist. In diese wurden Aussparungen für die Hörer, die Kapsel und das Zubehör geschnitten. Das sieht nicht nur originell aus, sondern fühlt sich auch gut in der Hand an.
In der Packung enthalten sind:
- Linker und rechter »M-1«
- 1 Paar Schaumstoffstöpsel (TS-410) von Comply Foam (M)
- 1 Paar Schaumstoffstöpsel (TS-410) von Comply Foam (S)
- Lade- und Aufbewahrungskapsel
- Micro-USB-Kabel
- Ohrflossen (»Concha Lock«) für besseren Halt
Kickstarter-Unterstützer erhalten in der Lieferung außerdem:
- Danksagungsbrief von Earin samt Entstehungsgeschichte
- Kleingedrucktes (CE-Zeichen etc.)
- 3 extra Paare Schaumstoffstöpsel von Comply Foam
Inbetriebnahme
Bevor man die »M-1« verwenden kann, sollte man diese zuerst aufladen. Dazu steckt man sie in die mitgelieferte Kapsel, welche man wiederum via Micro-USB mit Strom versorgt (z.B. über USB am Notebook). Sind die Ohrhörer geladen, nimmt man diese aus der Kapsel. Sobald man den linken Hörer (Master) entnommen hat, wechseln die »M-1« in den Paarungsmodus und können via Bluetooth z.B. mit einem Smartphone verbunden werden. Hat man die Ohrhörer einmal einem Wiedergabegerät zugewiesen, verbinden die sich ab dann nach dem Herausnehmen aus der Kapsel immer mit diesem Gerät.
Ladekapsel als essenzieller Bestandteil
Normalerweise finde ich mitgelieferte Aufbewahrungsboxen nicht sonderlich spannend, bei Earin ist die Kapsel aber ein wesentlicher Teil des Produkts. Erstens können die »M-1« nur über die Kapsel aufgeladen werden und zweitens können sie nur nach dem unmittelbaren Herausnehmen aus der Kapsel mit einem Gerät gepaart bzw. verbunden werden. Das mag nicht sonderlich praktisch klingen, ist aber der extrem kompakten Größe der (komplett knopflosen) »M-1« geschuldet und in der Praxis kein Problem – man sollte die Kapsel aber eben nicht verlieren. Zudem ist in der Kapsel ein Akku eingebaut, mit dem die Ohrhörer 3 Mal komplett aufgeladen werden können (weitere Details zum Akku weiter unten).
Die Kapsel besteht aus Aluminium, ist sehr gut verarbeitet und fühlt sich beim Herausziehen des Ohrhörer-Schlittens, welcher mit einem Magnetverschluss sehr stabil an der Kapselöffnung haftet, wie ein kleines Stück Science-Fiction an. Der Schlitten lässt sich über das Kopfende um 360 Grad in der Kapsel drehen, man muss aber keine Angst haben, dass die Hörer herausfallen, wenn man sie »falsch herum« aus der Kapsel zieht – diese werden nämlich jeweils über zwei kleine Klammern im Schlitten fixiert.
Am Kopfende, welches bei der Entnahme der Hörer herausgezogen wird, befindet sich ein Micro-USB-Anschluss, über den der Akku in der Kapsel geladen wird. Eine LED signaliert rot das Laden des Akkus und leuchtet grün, wenn der Akku voll aufgeladen ist. Auf dem selben Bauteil, allerdings auf der Seite signalisiert eine weitere, runde rote LED das Aufladen der Hörer. Sind diese geladen erlischt diese LED.
Im Gegensatz zu vielen mittlerweile erhältlichen Konkurrenz-Produkten ist die Ladekapsel der »M-1« zudem wirklich kompakt und lässt sich problemlos in der Hosentasche verstauen, ohne diese auszubeulen. Das klingt nur nach einem Detail, wer aber, gerade im Sommer, ohne Tasche und Jacke das Haus verlassen will, weiß kompakte Abmessungen diesbezüglich zu schätzen. Ein weiter Pluspunkt: Die Ladekapsel ist selbst im geöffneten Zustand nur ein Teil, was das Verstauen erleichtert.
Kleine, leichte Ohrhörer
Der Hersteller wirbt damit, dass die »M-1« kleiner und leichter als alle anderen Ohrhörer sind. Und damit dürfte er Recht haben, denn mit 3,5 g pro Hörer, einem Durchmesser von 14,5 mm und einer Länge von 20 mm sind sie sogar kleiner als die Hörer der Jaybird »BlueBuds X« (!). Als Stöpsel verwendet Earin das Modell TS-410 von Comply Foam. Dabei handelt es sich um eine Variante der normalen TS-400, für weiteren Ersatz verweist der Earin-Support auch auf diese, da man die TS-410 nicht von Comply Foam direkt beziehen kann. Wirkliche Unterschiede zwischen den 400ern und 410ern wären mir in der Praxis nicht aufgefallen.
Akku reicht für einen Tag
Jeder »M-1« verfügt über einen 60 mAh starken Lithium-Ionen-Akku, die Ladekapsel über einen mit 600 mAh. Die Spieldauer gibt Earin mit bis zu 3 Stunden an, über zwei Stunden kommt man erfahrungsgemäß auf jeden Fall. In der Ladekapsel lassen sich die Ohrhörer 3 Mal komplett aufladen. Da die »M-1« in der Kapsel automatisch geladen werden und eine durchschnittliche Musik-Session meist kürzer als 3 Stunden ist, kommt man damit leicht durch den Tag. Aufgefallen ist mir allerdings, dass die Kapsel die Ladung nicht lange hält, es empfiehlt sich also tägliches Aufladen.
Was können die Earin »M-1« und was nicht?
Bevor ich zu den 6 wichtigsten Kriterien von Bluetooth-Ohrhörern komme, kurz zu den Eigenschaften der »M-1« selbst. Konzipiert wurden sie als reine Ohrhörer – es gibt somit kein Mikrofon und keine Lautstärkeregelung, Pause-, Play-, Vorwärts- oder Zurück-Buttons. Die »M-1« geben einfach Musik von einem verbundenen Wiedergabegerät wieder. Punkt.
Die »M-1« selbst sind laut Angabe des Supports für IP 52 zertifiziert. Das beudetet, dass sie Staub zwar durchlassen, ihre Funktion dadurch aber nicht beeinträchtigt wird, und dass sie gegen Wassertropfen geschützt sind. Das klingt prinzipiell nach Ohrhörer-Standard und ermöglicht auch die Nutzung bei Sport (z.B. Laufen).
Was mit den »M-1« nur notdürftig funktioniert ist Wiedergabe von Videos, da sie dafür eine zu hohe Latenz von 0,5 bis 1 Sekunde aufweisen – Bild und Ton sind leider asynchron.
Gute Klangqualität
Gleich vorweg: Die Klangqualität ist gut bis sehr gut. Ja, die »BlueBuds X« haben etwas mehr Bass und »Punch«, die »M-1« sind dafür neutraler. Es ist Geschmackssache, wer guten In-Ear-Sound – und zwar unabhängig davon, ob er nun über A2DP kommt oder nicht – zu schätzen weiß, wird von den »M-1« jedenfalls nicht enttäuscht. Ein wesentlicher Aspekt guten In-Ear-Sounds ist ein abdichtender Sitz der Hörer, sodass eine gute Bass-Resonanz erfolgen kann. Während sich die gängigen Silikonpfropfen zwar durch eine gute Mischung aus Haltbarkeit (ewig) und bequemen Sitz auszeichnen, so führt bezüglich Dichtheit nichts an Schaumstoff-Pfropfen vorbei. Die »M-1« haben mich in dieser Hinsicht überzeugt und mich zum Fan von Comply Foam gemacht, welche ihre Schaumstoffpfropfen für eine ganze Reihe von Ohrhörern anbieten – bezüglich Sitz und Dichtheit für mich derzeit das Optimum.
Codecs
Seit mich die »BlueBuds X«, welche lediglich SBC unterstützen, bereits 2013 klanglich überzeugt haben, halte ich die Codec-Untersützung mittlerweile für zweitrangig – guter Klang hängt damit nicht zwangsweise zusammen. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass die »M-1« folgende Codecs unterstützen (Reihenfolge nach Priorität, Angaben laut Earin-Support):
- aptX
- AAC
- SBC
Unterstützt das Smartphone die Codecs aptX, AAC und SBC, kommt aptX zum Einsatz, sprich, es wird immer die bestmögliche Option gewählt.
Großteils stabile Verbindung
Im Gegensatz zu »normalen« Bluetooth-In-Ears, wie den »BlueBuds X«, muss bei komplett kabellosen Modellen auch eine stabile Verbindung der einzelnen Hörer untereinander gewährleistet sein. Grundsätzlich verbindet sich das Wiedergabegerät mit dem sogenannten Master, bei den »M-1« also mit dem linken Hörer. Dieser leitet den Ton an den rechten Hörer weiter.
Die Verbindungsqualität zum Master-Hörer ist bezüglich Stabilität mit jener anderer Lösungen zu vergleichen – hier gibt es nichts zu meckern. Die Verbindung vom Master- zum sogenannten Slave-Hörer ist immer noch gut, allerdings problematischer da diese ebenfalls über Bluetooth läuft und der menschliche Kopf aufgrund seines Wassergehalts ein großes Signal-Hindernis darstellt. Was bedeutet das in der Praxis? Es gibt hin und wieder kurze Ausfälle der Verbindung. Das mag sich zunächst nach einem großen No-go anhören, ist in der Praxis aber weitaus weniger tragisch. Durchschnittlich betrachtet, fällt die Verbindung einmal in 20 Minuten für den Bruchteil einer Sekunde aus, danach spielen die Hörer problemlos weiter. Es ist nicht perfekt, aber selbst für mich in der Praxis kein Problem.
Gute Verarbeitung
Die Verarbeitung der Kapsel und Hörer ist sehr gut. Wenn man sehr genau hinsieht, kann man am Übergang des Zylinders zum Kegel minimale Klebestellen erkennen – liegt aber im Rahmen und findet man auch auf Produkten etablierter Hersteller. Die Kapsel ist ebenfalls sehr gut verarbeitet – einzig die Klammern, welche die Hörer im Schlitten halten, zeigen nach einigen Wochen bereits leichte Abnutzungserscheinungen. Sie halten die Hörer zwar weiterhin perfekt, allerdings wetzt sich der Kunststoff merklich ab. Im Großen und Ganzen gibt es an der Verarbeitung aber nichts zu meckern.
Ausreichende maximale Lautstärke
Wie in meinem »BlueBuds X«-Review bereits angesprochen ist bei manchen Bluetooth-Ohrhörern die Lautstärke zu gering. Die »M-1« selbst haben keine eigene Lautstärkeregelung, daher war meine erste Befürchtung, sie würden für mich vielleicht zu leise klingen. Dem ist zum Glück nicht so: Während auf iOS-Geräten eine ausreichende maximale Lautstärke erreicht wird, bietet die Earin-App für Android und Windows 10 Mobile (welche mit etwas Verspätung veröffentlicht wurde) die Möglichkeit, den Gain (die Basislautstärke) zu erhöhen. Eine ausreichende Maximallautstärke ist somit auf allen Plattformen gewährleistet.
Bequemer Sitz
Da die »M-1« wirklich klein, komplett kabellos und noch dazu gewinkelt gebaut sind, dürfte es derzeit keine bequemeren In-Ear-Ohrhörer geben.
Sicherer Sitz
Viele Leute haben zunächst Angst, die »M-1« würden ihnen leicht aus den Ohren fallen, was ich allerdings überhaupt nicht bestätigen kann. Im Vergleich zu Kabelhörern ist sogar das Gegenteil der Fall – da kein Kabel an der Kleidung reibt und aufgrund der Schwerkraft einen ständigen Zug am Hörer verursacht, halten die »M-1« sogar wesentlich länger im Ohr (wenn einem In-Ears grundsätzlich passen). Das gilt auch beim Sport, wo diese sogar über eine Halbmarathon-Distanz sicher im Ohr verblieben sind.
Exzellenter Kundenservice
Wie eingangs erwähnt, musste ich bereits Earins Kundenservice in Anspruch nehmen: Die Akkuleistung des rechten »M-1« fing nämlich nach einigen Monaten an immer geringer zu werden. Am Schluss hielt der rechte »M-1« nur noch wenige Minuten durch, der linke »M-1« hatte hingegen kein Problem. Dass der Support schnell reagiert wusste ich bereits aufgrund meiner Anfragen bezüglich IP-Zertifizierung und Codec-Unterstützung. Auch in diesem Fall kam die erste Antwort kurze Zeit später und enthielt einige Erste-Hilfe-Schritte, die leider keine Besserung brachten. Daraufhin vermittelte mir Earin einen Abholtermin mit DHL und tauschte meine »M-1« einige Tage später gegen neue aus. Der ganze Prozess dauerte nur wenige Tage und verlief somit ruck, zuck – vorbildlich.
Vergleich mit Bragi »The Dash«
Ich bin auch glücklicher Besitzer der »The Dash« von Bragi. Im täglichen Gebrauch gebe ich den »M-1« aber den Vorzug: Erstens ist die Bluetooth-Verbindung zum Smartphone stabil (leider das große No-go von »The Dash«) und zweitens haben die »M-1« aufgrund der Comply-Foam-Pfropfen den angenehmeren Sitz und dichten für die Bass-Resonanz besser ab. Zudem ist die Aufbewahrungsbox für »The Dash« einfach zu groß für die Hosentasche.
Vorsicht!
Da die Hörer unabhängig voneinander sind, ergeben sich daraus einige Punkte, auf die man im Alltag achten sollte:
- Die Hörer sind klein und entgleiten einem leichter aus der Hand, als man denkt. So ist mir ein Hörer schon in ein Getränkeglas geplumpst bzw. auf den Gehsteig gefallen – aus der Hand, wohlgemerkt und nicht aus dem Ohr (dort sitzen sie, wie gesagt, bombenfest). Die Höhe ist beim Gehsteig kein Problem, man sollte aber darauf achten, dabei nicht über einem Kanalgitter zu stehen.
- Die Hörer sind relativ unauffällig, daher kann es vorkommen, dass einen Menschen ansprechen und man das nicht mitbekommt. Zudem ist es im Gegensatz zu Kabellösungen nicht mehr so einfach einen Hörer am Kabel baumeln zu lassen, um z.B. im Supermarkt an der Kassa zu zahlen.
Fazit
Mit den »M-1« ist Earin ein herausragendes Produkt gelungen, das meine »BlueBuds X« ab dem 1. Tag ersetzt hat. Daran haben auch Bragis »The Dash« nichts geändert. Sind die Earin »M-1« perfekt? Nein – aber eben herausragend und selbst die negativen Eigenschaften trüben den Genuss beim Benutzen nicht. Sie fühlen sich wie ein Stück jener Zukunft an, die man sich vor einigen Jahren noch beim Benutzen von A2DP-Produkten eträumt hat.
So gut wie perfekt ★★★★½
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A2DP · Bluetooth · Earin · kabellos · Kickstarter · Musik · Ohrhörer · Test · True Wireless
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