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„Arlo & Spot“ (2015) – Retro-Kritik: Pixars erster Flop

Spoilerfrei·3.5 / 5 Sterne·27.6.2023·Kommentare:  0

Aktuell floppt im Kino gerade Pixars „Elemental“ (2023), einerseits spannend weil die User-Wertungen auf IMDb (7,1/10) und Metaritic (3,7/10) stark divergieren. Andererseits, weil mit Peter Sohn der gleiche Regisseur dafür verantwortlich zeichnet, wie einst für Pixars ersten Flop, „Arlo & Spot“. Doch ist dieser Film wirklich so schlecht? Dieser Frage gehe ich meiner Retro-Kritik nach.

Als jemand, der 1995 die Geburtsstunde des digitalen Animationsfilms mit „Toy Story“ live im Kino miterlebt hat, habe ich in den Folgejahren jedem neuen Pixar-Start entgegengefiebert. „Das große Krabbeln“, „Toy Story 2“, die geniale „Monster AG“, das noch bessere, ultra-atmosphärische „Ratatouille“ – mein Pixar-Lieblingsfilm – und wie sie alle hießen. Schon bei „Wall·e“, spätestens aber bei „Oben“ merkte man den Kreativen aber an, trotz jeweils sehr starker Einstiege in diese beiden Filme, dass ihnen schon ein bisschen die Luft ausging. Soll aber nicht heißen, dass es nachher nicht doch noch geniale Einfälle wie „Inside Out“ oder solide Fortsetzungen wie „Toy Story 3“ gab. Aber wo reiht sich hier nun eine zwar komplett neue, aber auch eher klassische Geschichte wie „Arlo & Spot“ aus dem Jahr 2015 ein?

Die Dinos sind nicht ausgestorben!

„Arlo & Spot“ klingt dabei als Titel recht beliebig, der Originaltitel „The Good Dinosaur“ vermittelt hier schon eher einen Eindruck davon, worum es geht: Was wäre, wenn die Dinosaurier nicht ausgestorben wären und ein kleiner Dino ein Abenteuer mit einem Menschenkind bestehen müsste? Die geniale Einstellung, welche diesen alternativen Ablauf der Menschheitsgeschichte einläutet (ist auch im Trailer zu sehen), lässt sofort Erinnerungen an Pixars beste Zeiten wach werden und schürt schon in den ersten Minuten die Erwartung, hier vielleicht wieder Großartiges sehen zu dürfen.

Eher schlichte Story

Die Grundidee ist jedenfalls nicht so schlecht – und auch die erinnert vom Setup her ein wenig an das frühere Pixar. Während von 1995 bis 2003 jedes Mal Welten erkundet wurden, die zwar theoretisch Teil unserer Realität sind, so war es doch auch immer ein eigenes eigenes Universum, in das wir Menschen nicht eindringen konnten: Sprechendes Spielzeug, sprechende Ameisen, sprechende Schrankmonster, sprechende Fische. Ja, da gab es schon Ansätze von Interaktion mit Menschen, aber eine echte Geschichte über solche gab es erst 2004 mit den „Incredibles“. Das darauffolgende „Cars“ war eine komplett menschenleere Phantasiewelt mit sprechenden Autos, die aber erstaunlich gut funktioniert hat. Und dann gab es schon alle möglichen Mischformen – z.B. mit „Ratatouille“.

Dinos im Wilden Westen?

„Arlo & Spot“ dreht hier den Spieß um, denn erzählt wird aus Sicht der Dinosaurier, die hier nicht nur sprechen können, sondern auch in einer Art Wild-West-Analogie leben und z.B. eine Farm führen oder eine Viehherde hüten. Das klappt und ist halbwegs originell, vor allem, weil so die Menschen als fremdartige Tierwesen, die nachts die Vorräte plündern dargestellt werden. Die eigentlich Geschichte ist aber eine typische „Fish out of water“-Story, in der sich der kleine, total ängstliche Dinosaurier Arlo und das fauchende, verlorengegangene Kleinkind Spot (mit der Agilität eines Äffchens auf Speed) als Team zusammentun müssen, um wieder nach Hause zu kommen.

Haben wir das nicht schon mal gesehen?

Das klingt jetzt schon weniger originell, kann aber immer noch als Basis für eine gute Geschichte dienen – und tut es größtenteils auch. Wobei man sich schon irgendwann fragt, ob man das alles nicht schon einmal gesehen hat. Und ja, hat man, nämlich fast 15 Jahre zuvor in „Ice Age“. Die Ähnlichkeiten, insbesondere die Auflösung um das Menschenkind, sind teilweise schon frappierend, ohne natürlich die Genialität des 2002er-Hits auch nur annähernd zu erreichen.

Pixars Raffinesse fehlt

Auch sonst gibt es nichts, was besonders hervorsticht: Die Zusammensetzung des Heldenduos kann der dysfunktionalen Truppe in „Ice Age“ nicht das Wasser reichen, Spot ist nicht so herzig wie Boo in „Die Monster AG“ und kultige Charaktere wie Sid (aus „Ice Age“) gibt es auch nicht wirklich. Da es sich nicht um ein Musical handelt gibt es auch keine schwungvollen Songs zum mitsingen, wie z.B. in „Die Eiskönigin“ (bei deren Nachsingen man sich dann irgendwann beim Kochen erwischt 😅) und auch einen von einem bekannten Künstler beigesteuerten Song für den Abspann sucht man hier vergeblich. Es fehlt „Arlo & Spot“ einfach an jeglicher Raffinesse, die Pixar-Filme sonst so auszeichnet.

Bietet der Film irgendwas Besonderes?

Pixar versuchte inbesonsondere ein den Anfangsjahren bei jedem Film an einer Herausforderung beim computeranimierten Film einen Meilenstein zu setzen. Z.B kann ich mich bei „Die Monster AG“ daran erinnern, dass die Animation von Sullivans Fell (das blaue Monster, im Original gesprochen von John Goodman) im Promomaterial ständig präsent war. Auch bei „Arlo & Spot“ dürfte die realistische Darstellung der Landschaft und Natur im Vordergrund gestanden sein. Klingt in der heutigen Zeit, oder auch für 2015 eigentlich nicht mehr nach Herausforderung. „Arlo & Spot“ liefert diesbezüglich tatsächlich sehr beeindruckende Bilder: Alle Formen von Wasser, wie etwa Sturzfluten, alle Formen von Wolken wie Wetterumbrüche oder auch nur simple Dinge wie Blätter stechen hier besonders heraus. Es sind aber auch genau diese Bilder, und das muss man auch sagen, zuweilen fotorealistisch und für einen Animationsfilm schon etwas unpassend daherkommen.

Pixars erster Flop

All das dürften letztendlich auch die Gründe für das enttäuschende Einspielergebnis gewesen sein: Schlappe 332 Mio. Dollar sind für Pixar-Verhältnisse eine Katastrophe. „Onward: Keine halben Sachen“ spielte 2020 zwar trotz guter Kritiken noch weniger ein, startete aber just zu Beginn der Corona-Krise, daher nicht wirklich vergleichbar.

Also lag’s vielleicht an den Dinosaurieren? Waren die nicht seit dem Abflauen des „Jurassic Park“-Hypes Ende der 90er wieder „out“? Mein erste Vermutung, Pixar wollte als Trittbrettfahrer vom ebenfalls 2015 erschienen Megahit „Jurassic World“ profitieren, stellte sich als falsch heraus: Denn der ursprüngliche Start war 2013 anvisiert, wurde wegen „Die Eiskönigin“ („Frozen“) auf 2014 und dann auf 2015 verschoben. Dazu kamen Drehbuchänderungen verschiedenster Autor:innen, ausgetauschte Sprecher:innen etc. All das merkt man dem Film nicht unbedingt sofort an, erklärt aber im Nachhinein, warum hier das Pixar-Feeling einfach fehlt.

Fazit

Das alles macht „Arlo & Spot“ jetzt keineswegs zu einem schlechten Film (wir konnten ihn sogar als einzigen nach „Die Eiskönigin“ in einer Sitzung durchschauen 😉), ist aber – zumindest für uns langweilige Erwachsene – eher „nur“ solide Unterhaltung.

★★★½☆


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