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Filmkritik: »The Killer« – kaltblütiger Killer als Held? Hä?!

Spoiler!·3.5 / 5 Sterne·17.11.2023·Kommentare:  0Retweets:  0 0

So ganz schlau wurde ich aus David Finchers »The Killer«1 nicht. Sicher, rein auf die Szenenabfolge heruntergebrochen ist das schon spannend und kurzweilig, aber von der ersten Minute an drängt sich eine Frage auf, die der Film bis zum Schluss nicht beantworten kann.

⚠ Gleich vorweg, die Kritik hat eine Spoilerkennzeichnung. Ich nehme zwar keine Handlungsdetails vorweg, rate aber trotzdem jeder und jedem, die/der den Film sehen will, die Kritik erst nachher zu lesen, da ich z.B. die grundlegende Prämisse vorwegnehme.

Denn in der Netflix-Produktion – nach Mank (2020) die zweite von insgesamt vier vereinbarten Produktionen von Fincher für den Streamingdienst – ist der Name Programm: Man folgt einem namenlosen, kaltblütigen Auftragsmörder, der aus dem Off heraus seine Tätigkeit aufs Sachliche runterbricht, hin und wieder zynische Kommentare fallen lässt und dabei mit seinem Offline-MP3-Player ständig und ausschließlich The Smiths hört.

Worum geht’s bzw. das Problem

Der Aufhänger: Es geht natürlich etwas schief und der Protagonist wechselt in den Rachemodus. Und da wird einfach jede und jeder Beteiligte kaltblütigst on-camera um die Ecke gebracht, bis auf eine Ausnahme ohne Kampf oder Gegenwehr quasi einer Exekution gleich (womit die Tagline am Poster »Execution is everything« gleich mehr Sinn ergibt; entsprechend dämlich mutet dafür die deutsche Übersetzung »Die Ausführung ist alles« an 🤦‍♂️). Aber eben, und das ist wirklich unheimlich, wohlig-warm und mainstreamig inszeniert, wie man es von Hollywood gewohnt ist.

Der Protagonist hadert auch nicht mit seinem Gewissen, er durchläuft keine Entwicklung und er wird am Ende auch nicht zum besseren Menschen. Liegt also der Schluss nahe, dass wir einfach eine kleine Action-Geschichte ohne jegliche moralische Grundlage (oder eher sogar das krasse Gegenteil davon) serviert bekommen?

Basierend auf einer Graphic Novel

In der Hinsicht hilft es vielleicht zu wissen, dass »The Killer« kein Originaldrehbuch zugrunde liegt, sondern eigentlich auf einer Graphic Novel basiert. Ok, alles klar, könnte man meinen. Aber macht das die Sache mit der Moral besser? Nein, denn die Abstraktion einer Graphic Novel mag zwar sehr hoch sein, mit echten Darstellern als relativ normaler Film inszeniert (und nicht etwa wie einst »Sin City« (2005) – wobei die Held:innen dort großteils moralisch handeln), sieht die Sache schon anders aus. Spannend ist in der Hinsicht zudem, dass Brad Pitt die Hauptrolle (jetzt verkörpert von Michael Fassbender) einst mit dem Argument »a little too nihilistic« abgelehnt haben soll. Sah er am Ende die gleichen moralischen Probleme?

Darstellung ≠ Befürwortung, aber …

Mit der Kritik an der Folterdarstellung in »Zero Dark Thirty« (2012) konfrontiert meinte Kathryn Bigelow einst, dass »Darstellung nicht Befürwortung bedeutet«. Das mag für einen Thriller, der versucht wahre Begebenheiten zu dramatisieren, durchaus gelten, im Fall von »The Killer« greift das aber nicht.

Einerseits handelt es sich nicht um eine wahre Geschichte, andererseits wurde die Begründung für das Vorgehen des »Killers« drehbuchtechnisch auf ein Minimum reduziert. Die muss man sich fast schon selbst zusammenzimmern, so in die Richtung, »muss wohl sowas wie ›ich muss ihnen zuvorkommen, bevor sich mich erledigen‹ sein«. In Anbetracht der zuvor erwähnten Exekutionsszenen, in der übrigens auch relativ Unschuldige eiskalt umgelegt werden, etwas dürftig.

Interpretationen, die das Moral-Thema umschiffen

»Naja, aber fanden wir nicht alle ›Fight Club‹ toll?«, könnte man einwerfen, »da wird am Ende ja auch die halbe Stadt gesprengt«. Da geht es aber einerseits um Gesellschafts- bzw. Konsumkritik und andererseits ist die Inszenierung dementsprechend passend surreal. Die Kritik auf FM4 sieht in »The Killer« »fast« eine Parabel auf die neoliberale Arbeitswelt. Hmmm … ein:e quiet-quittende:r Developer:in, die/der den Build breaked und dann im Lauf der nächsten Tage kaltblütig jeden Bug eliminiert und davor zynisch kommentiert? Vielleicht. Nur in »The Killer« ist das halt ein Mörder.

Auch interessant (via kottke.org) ist die Kritik von Max Read und sein Ansatz, dass der Killer in »The Killer« die Verkörperung des Loser-Internets darstellt. Dafür ist mir die Inszenierung allerdings nicht spezifisch genug und zu sehr am anderen »One Man Army«-Mainstream (»John Wick«, »The Equalizer«, »[…] Has Fallen«, »Taken« & Co.) dran.

Fazit

Sicher kann man einfach abschalten und den Rachefeldzug mehr oder weniger genießen – aber: Sollten wir das?

★★★½☆

Eure Meinung

Wie seht ihr das? Habt ihr bei »The Killer« auch den moralischen Kniff vermisst oder hat euch der Film auch so gefallen? Übe euer Feeddback freue ich mich wie immer in den Kommentaren!


  1. Bzw. zu Deutsch »Der Killer«, wobei das Geld nur für die Lokalisierung des Promomaterials gereicht haben dürfte. Denn im Vorspann des eigentlichen Films heißt es auch mit deutscher Tonspur: »The Killer«. 🤷‍♂️ 

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The Killer https://benedikt.io/2023/11/filmkritik-the-killer/ 2023-11-17 https://benedikt.io/media/movie-review.jpg So ganz schlau wurde ich aus David Finchers »The Killer«1 nicht. Sicher, rein auf die Szenenabfolge heruntergebrochen ist das schon spannend und kurzweilig, aber von der ersten Minute an drängt sich eine Frage auf, die der Film bis zum Schluss nicht beantworten kann. ⚠ Gleich vorweg, die Kritik hat eine Spoilerkennzeichnung. Ich nehme zwar keine […]

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