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Bowers & Wilkins PI7: Test (1) – guter Klang, viel Kritik

3 / 5Sterne·28.5.2021·Kommentare:  5Retweets:  0 1 · ~ 6 min

Gleich vorweg, mein Bowers-&-Wilkins-PI7-Test wird etwas ausführlicher und auf mehrere Posts aufgeteilt. Denn schon bei so manchem Produkt habe ich oft meine ersten Eindrücke geschildert, dann aber nie einen Test veröffentlicht. Da ich im Nachhinein oft festgestellt habe, dass selbst diese ersten Eindrücke tiefergehender (und wesentlich kritischer) als das durchschnittliche 10-Minuten-YouTube-Review waren, drehe ich den Spieß um und mache aus meiner ersten Woche mit den Bowers & Wilkins PI7, den aktuell teuersten True-Wireless-Ohrhörern mit einer UVP von 400 Euro, gleich einen Test bzw. den ersten Teil davon (Update, Juni 2021: Mittlerweile gibt es weitere Teile, siehe folgendes Inhaltsverzeichnis).

Die Verpackung der Bowers & Wilkins PI7 von oben auf einem Holzschreibtisch liegend.
Die Verpackung fällt eindeutig in die Kategorie Understatement.

Wobei ich mit erstem Teil nicht meine, nur einen Teilbereich wie Verarbeitung abzudecken (oder gar nur ein billiges Unboxing abzuliefern), sondern durchaus einen allumfassenden Test. Scrum-Kenner können sich das als eine Art MVP eines Test vorstellen – eine minimale aber dennoch nutzbringende Ausbaustufe eines Tests.

Hinweis: Dies ist ein unabhängiger, nicht kommerziell ausgerichteter Testbericht basierend auf meinen Erfahrungen. Ich habe das getestete Produkt selbst bezahlt, mir stand weder ein Testmodell oder eine Leihgabe zur Verfügung, noch enthält dieser Artikel Affiliate-Links. Ich stehe zudem in keinerlei Beziehung zum Hersteller und/oder Händler. Mehr zur nicht-kommerziellen Ausrichtung von benedikt.io gibt’s unter Über.

Auf einen Blick

  • + Guter Klang
  • + Viele Codecs
  • + Kompakte Hörer & Case
  • + Viele Nice-to-haves
  • – Nicht unbedingt besser als andere
  • – Grässliche Farben
  • (- Indiskutabler Android-Datenschutz)1
  • – Klappriger Deckel
  • – Kein Multipoint
  • – Keine Button-Konfig via App
  • – Transparenz nur via App
  • – Für all das sehr teuer

Erster Eindruck: Viele Kritikpunkte

Beginnen wir dabei gleich mit ein paar Punkten, die Bowers & Wilkins versemmelt hat und die eindeutig nicht für ein 400-Euro-Produkt sprechen:

… aber auch Positives

Alle diese Punkte sind schon einmal kein guter Start für ein Produkt dieser Preisklasse. Also eigentlich für keine Preisklasse. Gibt es auch Positives zu vermelden? Ja, durchaus:

Sonstige Merkmale

Als neutral würde ich folgende Eigenschaften einstufen:

Hauptkriterium Klang: Tja …

Wie ist das nun mit dem Klang? Sind die PI7 um 400 Euro nun die am besten klingenden True-Wireless-Ohrhörer, die es aktuell gibt? Nein. Das sind nämlich die Shure SE846 mit True-Wireless-Adapter. Der Vergleich ist nicht fair, weil diese Kombi unterm Strich, bei einem guten Deal, 850 Euro kostet. Was ich damit aber verdeutlichen will: Klanglich sind die PI7 eher im Bereich der Momentum True Wireless & Co. anzusiedeln. Wenn die Shure SE846 eine 10 sind, dann bewegen sich die aktuellen 250-bis-400-Euro-Modelle (also auch die PI7) so im Bereich 4 bis 5. Nicht falsch verstehen, die klingen schon alle ziemlich gut, aber wer einmal die SE846 gehört hat, lässt sich da so schnell nicht mehr beeindrucken.

Wer also schon die Momentum True Wireless (1 oder 2, da dürfte der Unterschied nicht so groß sein) hat, kann sich bezüglich Audioqualität entspannt zurücklehnen: Denn für mich ist nach einer Woche nicht einmal gesagt, dass die PI7 überhaupt besser klingen. Anders klingen sie aber auf jeden Fall, denn Bowers & Wilkins nutzt eine ganz andere Klangsignatur.

Vorsicht bei Dual Audio

Mein Ersteindruck war aufgrund einer Unachtsamkeit meinerseits auch ziemlich getrübt. So waren insbesondere bei Videos teilweise starke Kompressionsartefakte wahrzunehmen, z.B. bei der Fanfare der ZIB-Signation (ZIB steht für »Zeit im Bild« und ist die österreichische Nachrichtensendung). Bis ich festgestellt habe, dass das mit Samsungs Dual-Audio-Feature zusammenhängt. Das bedient nämlich beide Ohrhörer mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, in dem Fall dem Subband-Codec (SBC) – auch überprüfbar in der B&W-App. So stark habe ich das bei anderen Ohrhörern aber noch nie wahrgenommen. Dies jedenfalls als Tipp für alle, die in die selbe Falle tappen.

Eigenwillige Klangsignatur

Die PI7 haben einen bombastischen Bass und sind bemüht, dabei sonst untergehende Details klar darzustellen. Überhaupt scheinen die PI7 in der Hinsicht fast überoptimiert. So ist mir z.B. aufgefallen, dass Interviews mit Auslandskorrespondenten in der ZIB dazu neigen, sämtliche Umgebungsgeräusche in den Vordergrund zu rücken. So erweckte das abendliche Vogelgezwitscher während eines Interviews mit Tim Cupal fast den Eindruck einer Tourismuskampagne. Zuerst dachte, es gäbe ein Problem mit dem Mikrofon-Setup beim ORF, allerdings zeigte sich dieses Phänomen bei allen Interviews.

Klingt ja nicht so schlecht, könnte man meinen. Das hat allerdings den Nachteil, dass gerade Stimmen und Höhen überbearbeitet und künstlich klingen können. So sind die Becken während des Refrains in AC/DCs »Mists of Time« beinahe als störendes »Hissen« wahrzunehmen.

Mit einem 9,2-mm-Dual-Driver-Setup bieten die PI7 zumindest auf dem Papier nichts, was nicht in der einen oder anderen Form schon dagewesen wäre. Die Technics AZ70W haben z.B. 10-mm-Treiber, die Master & Dynamic MW08 gar 11-mm-Treiber. Ein Dual-Driver-Setup bieten beispielsweise die Galaxy Buds Pro. Es wirkt ein bisschen so, als würde Bowers & Wilkins hier auch nur mit Wasser kochen und versuchen, durch eine eigenwillige Klangsignatur die Konkurrenz auszustechen.

Das gelingt gerade bei klassischer Musik zuweilen gar nicht so schlecht. Besonders die »End Titles« des »Midway«-Soundtracks profitieren z.B. davon und scheinen wie geschaffen für eine Klangsignatur mit tiefem, übertriebenem Bass und gleichzeitiger Betonung der Höhen und Details. Aber es ist nicht etwas, was im Endeffekt zwangsweise besser klingt als das, was z.B. die besten True-Wireless-Ohrhörer von Sennheiser bieten.

Erstes Fazit

Ich tue mir noch etwas schwer die PI7 klanglich einzuordnen. Sie klingen gut (AAC mit iPhone X, AptX mit Galaxy Tab S5e), wenn auch mit einer eigenwilligen Klangsignatur. Da ich allerdings aus der Sennheiser/Shure-Ecke komme, könnten das andere anders wahrnehmen. Klingen sie merklich besser, als z.B. die Sennheiser Momentum True Wireless? Nein. Ob das eventuell mit AptX HD anders wäre, würde ich gerne testen. Kann ich aber nicht, da entsprechende Smartphones Mangelware sind. Gemeinsam mit dem geschmacksverwirrten Look und den anderen Problemchen fällt mir eine Empfehlung daher momentan auch etwas schwer.

Nichtsdestotrotz werde ich die PI7 weiter als Daily Driver einsetzen und im Rahmen meines Experiments, mehrere serielle Testberichte zu schreiben, einen Nachfolgetest abliefern, sobald ich der Meinung bin, mehr sagen zu können.

Bis dahin würde ich sagen: Guter Klang, aber nicht 400-Euro-gut; für den Preis zudem zu viele Schwächen.

★★★☆☆


  1. Das dürfte tatsächlich in der Natur von Android liegen und sich mit Android 12 ändern 

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5 Kommentare

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#1 von Michael Kohlhage am 5.10.2022, 18:34 Uhr

Hab die Teile heute 10/22 für 218€ neu erstanden. Klang, bin ich bei Dir, shure 530 sind auch besser ( aber halt mit Kabel ) – keine Möglichkeit den Klang per app zu ändern, aber wie bei „Allen“ bluetooth in-ears, die Teile sind vermutlich per EU- Verordnung,in der max. Lautstärke begrenzt. Ich kann selbst entscheiden, wann es mir zu laut wird und mich stört !!!, aber die Möglichkeit dies zu entscheiden ist halt meine und meine Gesundheit. Zum Vergleich hab ich noch die etwas „lauteren“ Sony WF-1000XM3 , die preiswerten Soundcore Liberty 3 pro ( geniale app und preiswert ) sowie LG DFP 9… der B&W-Klang ist ok, gerade auch mit den Anschlussmöglichkeiten, aber Produktpflege kann anders gestaltet werden.

#2 von Benedikt am 5.10.2022, 19:06 Uhr

Wow, 218 Euro sind ja ein guter Deal! Obwohl für mich die PI7 laut genug waren, kann ich das Dilemma mit dem EU-Lautstärkenlimit nachvollziehen: Nichts ist schlimmer, als wenn die Ohrhörer gerade um das eine Bisschen nicht laut genug sind (hatte das früher öfter mal). Finds auch interessant, dass Sony hier grundsätzlich (?) lauter als Sennheiser zu sein scheint (wenn ich z.B. die MTW mit den WF-1000XM4 vergleiche). Ich musste meine PI7 wegen eines Defekts damals retournieren, aber interessant zu hören, dass die App anscheinend noch immer nicht mehr kann (für die UVP damals schon etwas dürftig).

BTW, falls es dich interessiert und weil du Shure erwähnt hast: Man kann alle Modelle mit MMCX-Anschluss, wie die z.B. die 535er zu True-Wireless-Modellen umrüsten, siehe meinen Post dazu (sehe aber gerade, dass die 530er kein abnehmbares Kabel via MMCX haben dürften …)

#3 von Michael am 5.10.2022, 20:34 Uhr

… Danke für die schnelle Antwort… leider haben die shure 530 kein abnehmbares Kabel, hab aber noch die
Ultimate ears 10, auch noch lauter und klanglich mit entsprechenden Korrekturen fast ebenbürtig, bis auf den fehlenden Tragekomfort….. leider lassen sich die bowers& Wilkins wohl nicht zurückgeben, so sehen es wohl die „Allgemeinen Geschäftdbedingungen ) bor, aber ich neige doch dazu die Hörer zurückzuschicken. Ich werde den Händler dazu morgen kontaktieren. Ich hab noch nen ify Kopfhörerverstärker, aber der funzt nur mit Kabel-Hörern🤣… vielleicht tun es die Grell TW1…🙏

#4 von Benedikt am 10.10.2022, 20:27 Uhr

Bei Onlinekäufen sollte eigentlich weiterhin das 14-tägige Rückgaberecht gelten, das können AGB nicht einfach negieren, meines Wissens nach. Und ja, verstärken eines Bluetooth-Signals geht leider nicht wirklich – aber in Apps wie Spotify sind manchmal von Haus aus »Normalisierer« aktiviert, damit alle Songs gleich laut sind. Da kann man manchmal noch mal gefühlt 10 bis 15% rausholen (siehe auch meinen Post dazu). Die Grell TW1 kannte ich nicht, das Design und die Bauform sprechen mich jetzt nicht unbedingt sofort an, aber die (mir bis jetzt unbekannte) Story rund um Alex Grell und Sennheiser klingt spannend und für gute Soundqualität bin ich immer zu haben. Hast du die Grell TW1 oder überlegst du, sie zu kaufen?

#5 von Michael am 11.10.2022, 10:48 Uhr

… Danke für die Rückmeldung…. ich hab die telefonisch nicht zu erreichende Firma bowers&wilkins angeschrieben und um ein dringend erforderliches firmware-update etc.
Sie bemühen sich um „Kundenzufriedenheit“, aber auf der Suche nach „in-ears“ haben mich letztendlich ( weil auch apple-phon ) die airpods pro2 klangtechnisch und vom Tragekomfort ebenfalls überzeugt…. hätte ich so nicht erwartet, aber die Teile sind ok…. der Preis dafür ist natürlich „hoch“…. dafür bin ich mit dem Gesamteindruck zufrieden.

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Bowers & Wilkins PI7 https://benedikt.io/media/16604/og-image-large.jpg